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People | 16.05.2016

Frau Rossbachers Gespür für Gegenden

Claudia Rossbacher ist die erfolgreichste österreichische Krimiautorin am heimischen Markt. „Steirernacht“ erscheint im Juni und führt ins Pöllauer Tal. Mit uns sprach sie über Inspiration, Intuition und die Wahl ihrer Schauplätze.

Zur Sonnenwende am 21. Juni liest du im Weingarten in Pöllauberg aus deinem sechsten Band aus der Serie mit den Ermittlern Sandra Mohr und Sascha Bergmann. Freust du dich darauf?
Claudia Rossbacher: Ja, das wird sicher sehr schön. Aber ich hab natürlich auch immer einen Spundus vor den Reaktionen. Es fließt ja immer viel lokale Mentalität in die Fiktion mit ein. Bis jetzt hat mir aber noch keiner etwas übel genommen.

 

Der Etrachsee im Krakautal, Langegg an der Schilcherweinstraße, Straden im Vulkanland, Neuberg an der Mürz und jetzt das Pöllauer Tal: Wie wählst du deine Schauplätze?
Hmm, das sind alles Gegenden, die ich sehr stark spüre. Die Atmosphäre, die Architektur, die Leute, das ist ja in jeder Region anders. An diese Besonderheit, die eine Region hat, passe ich dann auch meine Leiche an und versuche, eine Geschichte zu entwickeln, die spannend und glaubwürdig an genau diesem Ort ist. Der Schauplatz und die Leiche bzw. die Tötungsmethode ist alles, was ich am Beginn des Schreibens fix vor mir habe.

 

Und alles andere entsteht während des Schreibens?
Ja, bei mir ist viel Intuition am Werk. Den Handlungsablauf schaffe ich ohne Planung, die Texte werden auch rein aus meinem Gefühl heraus immer gleich lang. Aber recherchieren muss ich natürlich vieles. Die geografischen Gegebenheiten ebenso wie etwa medizinische Vorgänge. In „Steirerherz“ gibt es z. B. einen Herztransplantierten; oder ich recherchiere alte christliche Hinrichtungsrituale, wie ich sie in „Steirerkreuz“ im Mürzer Oberland passieren lasse. Auch wie eine Leiche aussieht, die wochenlang unter einer Eisdecke gelegen ist wie in „Steirerkind“, das in der Region Schladming spielt, muss ich recherchieren bzw. bei einem Gerichtsmediziner nachfragen.

Wo in der Steiermark wirst du niemals morden oder morden lassen?
Im Ausseerland. Das überlasse ich Herrn Dutzler. Außerdem ist diese Gegend eine Diva. Wunderschön, aber launisch wie das Wetter. Und am Reinischkogel wird auch nichts passieren, denn da wohne ich seit einem Jahr und vor meiner Haustür morde ich nicht.

 

Warum denn nicht?
Das alles, das Gespür für die Gegend und die Tatsache, dass mir niemand etwas übel nimmt, hat viel damit zu tun, dass ich keine Hiesige bin, die wirklich verbandelt und verstrickt wäre in die Region. Dieses kleine Mehr an Distanz, das ich als Nicht-Einheimische habe, ist, glaub ich, ein Vorteil, weil ich vieles mit Abstand betrachte.

 

Wie bist du denn überhaupt auf den Reinischkogel gekommen?
Zufall? Nein im Ernst: Es ist eine Fügung, die geplanter gar nicht aussehen kann. Ich war ja als Kind immer wieder auf Ferienlager am Reinischkogel. Hier habe ich, die aus dem grauen Häusermeer Wiens kam, den Wald lieben gelernt. Wir haben Bändeltänze getanzt und Schwarzbeeren und Schwammerl gebrockt. Jahre später habe ich dann auch einen Steirer geheiratet, allerdings einen, der mit 18 Jahren fortzog und nur wegwollte. Und dann, vor rund einem Jahr, riesige Baustelle in der Wohnung nebenan. Ich musste schreiben und dachte mir, jetzt morde ich bald wirklich. In meiner Verzweiflung tippte ich „Haus“ und „Deutschlandsberg“ ins Handy und aufgeploppt ist diese alte renovierte Huabm, die mein Mann und ich nun seit einem Jahr bewohnen.

Und wie geht es dir dort?
Es ist wunderschön, komplett abgeschieden, auf 1.000 Metern Seehöhe, die totale Idylle. Mein Mann, der Künstler ist, malt in der Scheune oder im Sonnenschein vor dem Haus. Und die Leute dort haben uns alle offenherzig aufgenommen.

 

Die Autorin und der Maler in der ländlichen Idylle …
Ich verstehe gar nicht, was alle gegen Klischees haben. Klischees sind doch nichts anderes als Abbilder der Realität.

 

Könntest du uns ein paar Tipps aus dem Schilcherland servieren?
Kennen Sie die Hahnhofhütte in Sommereben? Das Ausflugslokal der Grazer, am Wochenende gerammelt voll, aber da sind wir gerne. Oder Langmann und Lazarus, beide in Lang-egg. In der ganzen Gegend hier rund um Greisdorf gibt es kaum Bausünden. Das ist einfach Hammer! Zum Einkaufen fahre ich ins Kaufhaus Hubmann in Stainz. Dort kann man noch so richtig schön einkaufen.

 

Und deine Bücher sind keine Auftragsarbeiten, du lasst dich nicht vom Tourismus bezahlen? Was, wenn Gamlitz anfragt?
Dann spielt der nächste Krimi in Gamlitz! Nein, das war ein Scherz. Es sind keine Auftragsarbeiten, ich bin – bis jetzt – eine ehrenamtliche Botschafterin der Steiermark. Außerdem suche ich bei meinen Schauplätzen schon nach dem Echten, Erdigen, Authentischen, also nach Plätzen, die noch nicht jeder kennt. Teil 7, an dem ich schon schreibe, wird in die Obersteiermark, zur Eisenstraße führen.

Du karikierst die Menschen und die Atmosphäre einer Region aber nicht, oder?
Nein. Ich versuche die Atmosphäre und die Menschen, wie sie dort sind, zu erspüren und wiederzugeben. Am besten gelingt mir das, wenn ich von außen in die Region hineingehe, ohne viel zu wissen.

 

Wie viel Claudia Rossbacher steckt denn in deinen Figuren?
Ich würde sagen, ein bisschen in Sandra Mohr und ein wenig in Sascha Bergmann, aber natürlich nicht 1 zu 1. Sandra Mohr ist kontrolliert, ehrgeizig, steht sich dadurch oft selbst im Weg. Eine patente Frau, nicht gerade humorvoll, aber trotzdem sympathisch. Manchmal nervt sie mich sehr. Sascha Bergmann hingegen ist lockerer. Er hat einen machohaften, oft sexistischen Humor, den ich aber liebe. Manche Leserinnen hassen ihn und auch Sandra Mohr hat ein ziemlich gestörtes Verhältnis zu ihm.

 

Wie hast du zu diesen Figuren gefunden?
Das war 2009 und da hat mich einmal wirklich so etwas wie die Muse geküsst. Als ich eines Nachts nicht schlafen konnte, sah ich eine nackte Frau durch den Wald laufen auf der Flucht vor ihrem Mörder. Ich fragte mich, wo das ist?

 

Und wo war es?
Es war in der Steiermark, im Wald meiner Kindheit. Am nächsten Morgen sind quasi aus dem Nichts auch Sandra Mohr und Sascha Bergmann aufgeploppt. Mitsamt Namen, Charakter, Aussehen, Stimme. Dass da sehr viel Potenzial in ihnen steckt, hab ich sofort bemerkt, auch wenn ich den Erfolg, den sie haben würden, niemals vorhersehen konnte.

 

Du hast erzählt, dass das Feuilleton dich weitestgehend ignoriert. Stört dich das?
Nein. Ich habe zwar in jedem Schreibprozess meine Zweifelphasen, aber das vergeht. Ich versuche immer, das Niveau zu halten und die Leser nicht zu enttäuschen. Stilistisch wird man sowieso sicherer. Wichtig bei mir ist, dass ich die Region gut einfange, die Figuren lebendig und die Geschichten glaubwürdig sind. Die Leser wissen das Gott sei Dank zu schätzen – und ich freue mich riesig, dass ich als eine der ganz wenigen in Österreich vom Bücherschreiben leben kann.

 

Termine

  • 10. Juni 2016: Lesung aus „Steirernacht“ in Lieboch
  • 21. Juni 2016: Lesung aus „Steirernacht“ im Weingarten Pöllauberg.

www.claudia-rossbacher.com