People | 16.02.2023
So viel zu tun, so wenig Zeit
Die beiden Autorinnen sind nicht nur beste Freundinnen, sondern auch beruflich schon lange verbandelt. Athanasiadis steht seit 2007 – gemeinsam mit Gudrun Nikodem-Eichenhardt – als Kernölamazone auf der Bühne, Riedl-Schlosser schreibt die Kabarettprogramme dazu. Bei dem neuen Buchprojekt ebenfalls mit an Bord ist Soledad Goscinski, die bei den Kernölamazonen als Tourmanagerin tätig ist und zum Buch die liebevoll gestalteten Illustrationen lieferte.
STEIRERIN: Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden?
Athanasiadis: Weil Michi und mir immer wieder dieselben Fragen gestellt wurden. Ich wurde bei meinen Programmen eigentlich täglich darauf angesprochen, wie das geht, dass ich so viel herumfahre, ich hab’ ja ein Kind. Und mich hat das irgendwann angefangen richtig zu stören, weil ich nicht verstanden habe, warum mir diese Frage gestellt wird und meinen männlichen Kollegen nicht. Mir wurde das Gefühl vermittelt, dass das nicht richtig ist, was ich mache.
Riedl-Schlosser: Bei mir wurde immer wieder gesagt: „Du arbeitest eh von zu Hause aus, du kannst ja hunderttausend Sachen noch nebenbei machen.“ Aber dass es nicht funktioniert, einen Haushalt zu schupfen und ein Kind zu betreuen und gleichzeitig etwas zu arbeiten, das haben die wenigsten verstanden.
Man kann also sagen: Wie man es macht, ist es falsch?
Athanasiadis: Das sowieso, das steht auch im Buch. Wenn man zu Hause bleibt beim Kind, ist man eine Glucke, und wenn man arbeiten geht, ist man eine Rabenmutter. Ich hab’ das Gefühl, als Frau kannst du es nicht richtig machen, egal was du tust.
Was wollen Sie mit dem Buch bewirken?
Athanasiadis: Wir wollten den Frauen das Gefühl geben, dass sie nicht alleine sind mit der Situation. Das Buch soll aufzeigen, dass es quer durch die Schichten bei allen so ist. Alle Frauen haben damit zu kämpfen, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Natürlich passiert schon ein kleiner Wandel, aber wir sind noch weit davon entfernt, dass es normal wird, dass Väter zu Hause bleiben. Die Hauptverantwortung liegt immer noch bei den Müttern.
Wie schaffen Sie es, als arbeitende Mütter Ihren Alltag zu managen?
Riedl-Schlosser: Meine Tochter ist jetzt 14, das macht es natürlich einfacher. Als sie klein war, konnte ich das nur schaffen, weil mein Mann, meine Eltern und Schwiegereltern mich sehr unterstützt haben. Aber auch heute noch wird es schwierig, wenn mehrere Sachen zusammenkommen wie Abgaben und Krankheit. Ich habe zum Glück einen Freundeskreis, der für mich da ist, unter anderem die Caro. Das ewige „Das schaff ich schon“ und „Das geht schon irgendwie“ ist für alle eigentlich nur zermürbend. Ich schaffe meinen Alltag manchmal extrem gut und manchmal nicht.
Athanasiadis: Ich glaub’, keiner schafft seinen Alltag immer. Das wird einem immer so vorgegaukelt. Das ist etwas, was mich sehr ärgert, zum Beispiel auf Social Media. Das kann mir keiner erzählen, dass das die Realität ist: zwei Kinder, beide Eltern voll berufstätig und in der Wohnung schaut es aus wie bei „Schöner Wohnen“.
Was fehlt Ihrer Meinung nach in Gesellschaft und Politik, damit es für Mütter ein bisschen leichter wird?
Riedl-Schlosser: Fangen wir mit der Kinderbetreuung an …
Athanasiadis: Die Politik müsste vor allem mal verstehen, dass Elementarpädagogik – also Kindergarten – zur Bildung dazugehört. Wie sollen Frauen ihr Leben führen, wenn der einzige Kindergarten weit und breit am Land um 12 Uhr zusperrt? Und die Arbeit der Elementarpädagog:innen wird auch überhaupt nicht wertgeschätzt, in Skandinavien ist das ein viel angesehenerer Beruf als bei uns. Und dann wundern sich alle, warum die PISA-Studien hierzulande so schlecht ausfallen. Aber es ist kein Wunder, wenn die Kinder weder emotional noch in ihren Talenten gefördert werden.
Riedl-Schlosser: Ich habe das Gefühl, dass immer sehr viel geredet wird, aber sich in der Bildung nichts ändert. Und dann ist es kein Wunder, dass Pädagog:innen sagen: „Ich kann diesen Beruf so nicht mehr machen.“ Es muss endlich mal was getan werden.
Athanasiadis: Mein Kind lernt heute in der Schule dieselben Sachen, die ich damals gelernt hab – so lange wird jetzt schon von der Bildungsreform gesprochen. Das geht einfach nicht. Aber da traut sich keiner drüber, weil die nächste Wahl könnte ja kommen … Und es werden auch die Lehrer:innen und die Schüler:innen nicht wirklich gefragt, was es benötigt.
Caroline Athanasiadis
Die geborene Wienerin mit griechischen Wurzeln hat zwei Söhne. Als Sängerin und Kabarettistin ist sie seit 2007 Teil des Kabaratt-Duos „Kernölamazonen“. 2021 gewann sie bei „Dancing Stars“ und moderiert auch im ORF.
Am 23.1.23 startet ihr neues Soloprogramm „Souvlaki Walzer“.
Michaela Riedl-Schlosser
Die geborene Südsteirerin lebt ebenfalls in Wien und ist Mutter einer Tochter. Die Autorin schreibt für Theater und Kabarett, Hörspiele, Werbetexte und hält auch Theater-Workshops für Kinder. Sie ist Mitbegründerin der „Kernölamazonen“ und hat auch am neuen Programm „Souvlaki Walzer“ mitgewirkt.
Im Buch ist exemplarisch ein mit privaten Pflichten vollgestopfter Kalender abgebildet. Warum, glauben Sie, bleiben so viele Dinge an Frauen hängen?
Riedl-Schlosser: Ich bin mir sicher, dass das einfach an der klassischen und mittlerweile veralteten Rollenverteilung liegt. Und natürlich auch daran, dass Frauen immer noch weniger verdienen. Bei all den Ausgaben überlegt man sich als Paar, ob es finanziell nicht sinnvoll ist, dass eher die Frau zu Hause bleibt, weil sie weniger verdient. Das sind Strukturen, die sich einfach nicht verändern.
Athanasiadis: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt in Österreich nicht. Es gibt auch kein Modell zur 50:50-Aufteilung von Elternarbeit, weil es dafür keine Anreize gibt, nicht wie in anderen Ländern. Dort werden Kinder auch viel früher in Fremdbetreuung gegeben – auch deswegen, weil die Betreuung dort viel besser ist, da fällt das als Elternteil natürlich leichter.
Wie oft nehmen Sie sich vor, mal nichts zu tun – auch wenn es immer was zu tun gibt?
Athanasiadis: Täglich. Ich finde, man muss ganz bewusst auch mal nichts machen, sonst geht irgendwann nichts mehr. Man darf sich nicht nur kasteien, antreiben lassen und nie Stopp sagen. Das ist, glaube ich, der Grund, warum es vielen Leuten psychisch so schlecht geht: Weil es mittlerweile verpönt ist, sich mal was zu gönnen. Du musst im Büro genauso wie zu Hause funktionieren, vor den Kindern willst du auch nicht weinen, der Partner will vielleicht auch noch was von dir, und dann ist irgendwann Schluss. Und wenn es nur eine Stunde ist, wo man mal nichts tut – das ist ganz, ganz wichtig. Auch und vor allem, wenn die Zeit dafür nicht da zu sein scheint.
Riedl-Schlosser: Man muss sich wirklich die Zeit nehmen, von selbst kommt sie nicht.
Was tun Sie dann am liebsten, wenn Sie mal „nichts“ tun?
Riedl-Schlosser: Mit meinem Hund spazieren gehen. Und die totale Entspannung sind für mich Wohnzeitschriften. Ich muss mich zwingen, dass ich mir die kaufe, weil sonst nehme ich mir nicht die Zeit für Ruhe.
Athanasiadis: Ich kann mich super entspannen, wenn ich mit meinem Mann oder meiner Familie essen oder zum Heurigen gehe.
Was würden Sie arbeitenden Frauen generell gerne als Rat mit auf den Weg geben?
Athanasiadis: Man darf sich Hilfe holen, man ist nicht allein. Dazu gibt es ja die anderen Menschen auf dieser Welt. Und die meisten Menschen helfen ja auch gern.
Riedl-Schlosser: Es ist ja auch eine Stärke, um Hilfe zu bitten. Und man muss nicht immer perfekt sein, das geht gar nicht und das muss man auch gar nicht. Alles wird immer schneller und intensiver und wenn man da immer mitmöchte, ist das nicht gesund. Da sollte man früh genug
ausbrechen.
Buchtipp
In „Heute hab ich nichts zu tun, außer …“ geht es auf lustige Art und Weise um Aufklärung und Bewusstseinsschaffung. Den Balanceakt zwischen Arbeit und Familie aufzuzeigen ist den Autorinnen genauso wichtig, wie Gleichberechtigung nicht nur zu predigen, sondern auch zu leben. Vor allem soll den Leser:innen vermittelt werden, dass sie mit ihren Alltagsproblemen nicht alleine sind und es erlaubt ist, sich Hilfe zu holen.
Carl Ueberreuter Verlag, € 25,–
ISBN: 978-3-8000-7813-4
© Felicitas Matern/beigestellt