People | 14.12.2022
Mit Frauenkraft ins neue Jahr!
Sie sind Frauenkraft-Expertin und Schoßraum-Schamanin. Was versteht man darunter?
Bärbel Waltl: Wir Frauen haben durch das Patriarchat und die Hexenverfolgungen viel uraltes Wissen über den weiblichen Zyklus, die Menarche und den Wechsel sowie rund um Schwangerschaft und Geburt verloren. Viele wissen nicht mehr, dass sie damit mit der Natur verbunden sind und wie sie gut für sich sorgen können. Als Schoßraum-Schamanin unterstütze ich Frauen darin, diesen ursprünglichen Kontakt zu den besonderen Kräften des Schoßraums wiederzufinden.
Sie sehen sich somit als Hüterin des uralten weiblichen Wissens?
Es gibt inzwischen viele Frauen, die sich dieses Wissen wieder angeeignet haben. Dieses Wissen umfasst das Eingebundensein des Menschen und besonders der Frau in die Gesetze der Natur, Wissen über uralte spirituelle Ansätze und viele Techniken, die Herausforderungen des Frauseins nutzen zu lernen. Die Blutung als Teil des weiblichen Zyklus braucht kein schmerzvoller, schambesetzter Prozess zu sein, sondern im Gegenteil ein freudvoller, spiritueller Vorgang, der die Frauen immer tiefer mit sich selbst und ihren Lebensaufgaben verbindet.
Wie sieht Ihre Arbeit dazu speziell bei Frauen aus?
Die meisten Frauen kommen mit konkreten Themen wie Zyklusbeschwerden, Unfruchtbarkeit, einer Wechselkrise oder einem schwierigen Geburtserlebnis. Ich hole sie dort ab, wo sie sind, und arbeite auf der psychischen, sozialen, körperlichen, energetischen oder spirituellen Ebene. Meistens geht es darum, mehrere Ebenen einzubeziehen, da wir ganzheitliche Wesen sind. So darf ein Prozess entstehen, der die Frau in der Auflösung ihres Schmerzes unterstützt und sie mit ihrer eigenen Kompetenz verbindet.
Dabei geht es darum, die eigene Frauenkraft zu stärken. Warum ist das gerade heute so wichtig?
Ich denke, viele Frauen spüren, dass die heutige Lebensweise sie von ihrer inneren Quelle abschneidet und es ihnen schwer macht, sich mit ihrer Intuition, Liebe, ihrem speziellen Licht und auch ihrer inneren Autorität zu verbinden. All das fehlt aber nicht nur uns Frauen, sondern auch unserer aus den Fugen geratenen Welt. Es geht um die Rückverbindung mit der ursprünglichen Einheit allen Seins.
Warum spüren wir Frauen unsere Urkraft nicht mehr?
Leider lässt sich das mit einem Wort festhalten: Angst. Trotz all der Veränderungen, die durch die Frauenbewegungen erkämpft wurden, sind Frauen noch immer nicht dort, wo sie hingehören. Frauenmorde nehmen zu, jede dritte Frau erlebt irgendwann sexuelle Übergriffe und Frauenhäuser gehen über. Weltweit sind Themen wie unfreiwillige Beschneidungen, Erniedrigungen für normale hormonelle Vorgänge und Zwangsehen nach wie vor auf der Tagesordnung. Jede Frau, die ihre Urkraft wiederentdeckt, setzt ein Gegengewicht. Dabei geht es nicht mehr darum, die gleichen Rechte wie Männer zu haben, sondern in unserer Verschiedenheit wertgeschätzt zu werden.

Sie bieten mit „Womb Awakening“ eine weitere Technik, um die eigene Frauenkraft zu stärken?
Womb Awakening ist ein schamanischer Zugang zur weiblichen Urkraft, der sich aus vielen Techniken zusammensetzt. Dazu gibt es ein Buch mit gleichem Namen, das ich sehr empfehlen kann. Hier geht es um Rituale, Meditationen, Körpertechniken und vieles mehr, die ich in den Prozessen mit meinen Klient:innen anwende. Ähnliche Techniken wurden schon von Urvölkern verwendet, um sich mit den natürlichen Kräften des Schoßraums zu verbinden. Wenn ich mich selbst wieder spüren lerne, dann verbinde ich mich automatisch mit meiner natürlichen Urkraft als Frau.
Wie sehen diese Zeremonien und Rituale aus?
Sehr unterschiedlich. Manche leise und nach innen gekehrt, andere wiederum laut und von Trommeln und Tänzen begleitet. Konkret arbeite ich auch mit „Vaginal Steaming“ – einer uralten Form von Vaginaldampfbädern –, spirituellen Segnungen, Meditation, Berührung und Klang. Rituale dienen der Selbstermächtigung und dem Sichtbarmachen von inneren Prozessen.
Gerade zum Jahreswechsel möchten wir stärker ins neue Jahr starten. Wie können Sie dabei helfen?
Der Jahreswechsel ist geprägt von Dunkelheit und dem Rückzug der Natur. Es sollte auch eine Zeit der Stille sein, des Rastens und des Reflektierens, wie es früher der Fall war, als es noch keinen Strom gegeben hat. Leider gönnen wir uns in dieser Gesellschaft diese wichtigen Qualitäten viel zu wenig. Die Zeit der Blutung zeigt im Zyklus der Frau dieselben Energien, die ebenfalls Rückzug und Stille einfordern. Was kann uns also zu mehr Kraft führen, als zu rasten, wenn wir müde sind, und was kann uns mehr mit unserer Klarheit verbinden, als in die Stille zu gehen, um uns wieder zu spüren?
In welche Richtung können sich Frauen mit diesem alten Wissen bestenfalls entwickeln?
Wir können uns zu einer schwesterlichen Gemeinschaft entwickeln, die für Liebe und Menschlichkeit einsteht, ohne Scham und Gewalt. Wir können wieder lernen, uns mit der Natur zu verbinden, und ihr so wieder den Schutz geben, den wir längst vergessen haben. Wir können unsere Sprache wiederfinden, um NEIN zu sagen, wenn Inakzeptables passiert. Wir können unseren spirituellen Weg wieder selbst in die Hand nehmen und Selbstliebe entwickeln. Ich glaube, das ist nicht nur Selbstentfaltung, sondern ein Geschenk an die Menschheit.