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People | 14.07.2022

Schön, glücklich & non-binary!

Phil sieht sich als Individuum in einer heteronormativen Welt. Als nicht-binäre Person gibt es nämlich mehr als nur Geschlechter – eine facettenreiche Persönlichkeit zum Beispiel.

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© Lisa Pieter

Binäre Pronomen fühlen sich nicht richtig an, Neo-Pronomen wie „dey“ oder „xier“ sind zu unbekannt und das englische geschlechtsneutrale „they/them“ ist bloß die beste Alternative. Man merkt, sprachliche Inklusion ist noch kompliziert, geht es um nicht-binäre Personen. Idealerweise spricht man genderqueere Menschen einfach mit dem Namen an. So einfach und oft doch so fremd in einer konservativen Gesellschaftsnorm.

Fernab jeder Geschlechteridentifizierung dieser binären Welt möchte Phil aus der Südoststeiermark die eigene Persönlichkeit leben und sich nicht aufgrund körperlicher Merkmale einschränken oder gar verbiegen lassen. Der Weg dorthin war ein langwieriger Prozess, denn bis vor gar nicht so langer Zeit fehlten dazu noch die passende Sprache und das Wissen, um die eigene Identität als nicht-binär zu erkennen. Und dann brauchte es auch noch Mut, um dieses neue Ich öffentlich einzugestehen und zu leben.

STEIRERIN: Wenn du dich an deine frühe Jugend erinnerst, was war anders?
Philipp Josef Rossmann: Ich war nie maskulin und hatte breit gefächerte Interessen, die gesellschaftlich eher als feminin angesehen wurden. Ob es das Spielzeug war, mit dem ich spielen wollte, oder die Vorbilder, die mich ansprachen – es waren alles grundsätzlich mädchenhafte Dinge. Ich habe damals schnell gelernt, meinen wahren Interessen heimlich nachzugehen, um nicht verspottet zu werden.

Der Weg zur nicht-binären Person ist ein langer Prozess. Wie sah das bei dir aus?
Als homosexuell habe ich mich nie gesehen, obwohl ich als schwul beschimpft und deshalb in der Schule gemobbt wurde. Auch heute lehne ich diesen Begriff ab, weil er einfach nicht auf mich zutrifft und einen großen Teil meiner Identität ignoriert. Wenn überhaupt, habe ich immer damit gehadert, eine Möglichkeit zu finden, meine eigene Identität in Worte zu fassen, da es einfach keine öffentlichen Vorbilder gab, die so waren wie ich. Lange Zeit habe ich versucht zu verdrängen, dass ich niemals der Norm entsprechen werde, und habe mich angepasst. In meinen Zwanzigern bin ich nach Graz gezogen und habe einen tollen Freundeskreis gefunden, der mich noch heute dabei unterstützt, mein wahres Ich zu leben. Schlussendlich habe ich einfach den Entschluss gefasst, mich nicht mehr anpassen zu wollen und als Individuum in dieser heteronormativen Welt mein bestes Leben zu leben. Ein großes Coming-out gab es nicht.

 


© Lisa Pieter

 

Was sind deine typischen Alltags-Hindernisse in einer binären Gesellschaft?
Wir leben in einer extrem zweigeteilten Gesellschaft, in der alles nach Männchen oder Weibchen sortiert ist. Egal wohin man geht und was man tut, man wird als nicht-binärer Mensch daran erinnert, dass die Öffentlichkeit nicht für einen vorgesehen ist. Bei bürokratischen Formularen gibt es zu 99 Prozent die Option männlich oder weiblich. Divers ist eine Seltenheit. Öffentliche Toiletten sind fast immer unangenehm. Auf der Herrentoilette wird man blöd angestarrt oder erhält gemeine Kommentare. Auf der Damen-toilette kann es sein, dass man als potenzielle Gefahr hingestellt wird.

Wie redet man korrekt mit nicht-binären Personen?
Ich hasse das Pronomen-Thema. Deutsch ist so eine extrem gegenderte Sprache und es macht die Sache wahnsinnig schwierig. Versuch mal, einer konservativen österreichischen Person die Verwendung von Neo-Pronomen wie „dey“ oder „xier“ beizubringen. Auf Englisch kann man das geschlechtsneutrale „they/them“ verwenden, was mittlerweile die meisten Non-binary-Leute, die ich kenne, tun. Wichtig im Umgang mit Non-binary-Personen ist, dass man respektvoll ist und die gewünschte Anrede der Person verwendet. Wenn man einen Fehler macht, sich einfach kurz entschuldigen und sich korrigieren, damit ist die Sache auch erledigt.

Wie bist du anfänglich mit der Angst, nirgendwo reinzupassen, umgegangen?
In dem Moment, in dem ich erkannt habe, dass ich genau die Person bin, die ich sein möchte, sind alle Ängste abgefallen. Jungen Menschen kann ich nur sagen: Mach, was du willst. Es wird immer Leute geben, die dir im Weg stehen wollen und die von deinem Licht geblendet sind, aber das ist ihr Problem. Es wird besser, ich verspreche es dir. Deine Community wartet auf dich!

Gibt es heute noch negative Situationen, die dir Angst machen?
So ziemlich jeden Tag. Die Welt ist gepflastert mit negativen Situationen. Der Trick ist, drüberzustehen. Angst zu haben bringt nichts, und sich zu verstecken hat noch niemandem geholfen.

Und was macht dich dann wieder stark?
Auf der Straße einer Gruppe queeren Kids zu begegnen, die mich sehen und jubeln, weil sie sehen, was möglich ist, ist Grund genug, mich nicht unterkriegen zu lassen. Negative Erlebnisse tun kurz weh, verblassen aber. Die positiven bleiben für immer.

Wie sieht es in der Liebe eines nicht-binären Menschen aus?
Natürlich ist der Dating-Pool für Non-binary-Leute viel kleiner, weil der Großteil der Gesellschaft sehr limitierte Anschauungen darüber hat, was sie anziehend finden. In meiner Beziehung ist es kein Problem. Mein Partner unterstützt mich sehr und ist stolz darauf, dass ich mich von der Meinung anderer nicht beeinflussen lasse. Ich musste aber genügend Arschlöcher daten, um jemand wirklich Gutes zu finden. Also nicht aufgeben, Girls.

Glaubst du, dass eine genderneutrale Erziehungsform die Lösung für die gesellschaftliche Zukunft wäre?
Absolut. Was gibt es Schöneres, als wenn sich ein Kind frei von externen Einflüssen so entfalten kann, wie es möchte? Menschen sind so viel mehr als bloß ihre Körperteile und ich wünsche jeder Person die Euphorie dieser Freiheit, die ich mir hart erkämpft habe.

Welche Botschaft ist dir wichtig?
Wie wäre es mit etwas mehr Liebe, auch für euch selbst? Leute, die sich selbst lieben, sind in der Regel keine engstirnigen, konservativen Neider, die es nicht mitansehen können, wenn Minderheiten dieselben Rechte haben. Und an alle unsicheren, queeren Menschen da draußen: Macht es in eurem Tempo. Es gibt keinen perfekten Prozess, den ihr befolgen müsst. Folgt eurem Herz, alles andere wird sich fügen. Egal in welcher Phase eurer Entwicklung ihr euch befindet – ich bin stolz auf euch und freu mich, dass es euch gibt!