People | 13.01.2022
Kämpferin für Körper und Seele

Inspiration, Mutmacherin, Kämpferin: Mit ihrer lebensfrohen Art, ihrem natürlichen Selbstbewusstsein und ihrer unbeugsamen Willensstärke ist Wahl-Steirerin Sigrun Passelat ein Vorbild für unzählige Menschen. Durch einen multiresistenten Keim und eine darauf folgende lange Leidensgeschichte mit schwerwiegenden Diagnosen verlor die 50-Jährige 2016 ihr Bein und muss sich seitdem immer wieder in ärztliche Behandlung samt Operationen begeben. Ihren Antrieb hat sie dabei nicht verloren, im Gegenteil – heute macht sie selbst anderen Mut. Als engagierte Sportlerin, Coach und Künstlerin erfindet sie sich selbst immer wieder neu und schafft es mit Empathie und Überzeugungskraft, ein Vorbild für all jene zu sein, die sich selbst schwertun, weiterzumachen.
Emotionaler Moment
Bei den STEIRERIN AWARDS 2021 hat die gebürtige Wuppertalerin den Preis für die Kategorie „Kämpferin“ erhalten und eine ergreifende Rede gehalten. „Die Verleihung war ein sehr emotionaler Moment für mich – ich bin ja noch nicht so lange in Graz und dass ich hier für mein Tun ausgezeichnet wurde, bedeutet mir unglaublich viel.“ In ihrer Rede spricht sie von ihren persönlichen Tiefpunkten und dass manchmal ein „Schubser“ einer anderen Person notwendig ist, um wieder Kraft zu schöpfen und ins Leben zurückzufinden. „Bei mir war es die Intensivstations-Pflegerin. Wenn sie nicht gesagt hätte ‚Komm, mach weiter, denk an deine Kinder, das Leben ist hier nicht vorbei!‘, hätte ich wahrscheinlich aufgegeben“, erzählt sie. „Ich bin überglücklich, dass ich es geschafft habe.“
Das Leben schätzen
Heute weiß Sigrun das Leben noch viel mehr zu schätzen – mit all seinen kleinen Freuden und bunten Emotionen. „Da geht es um so Sachen wie mit meinem Mann auf den Schöckl zu spazieren und oben herumzualbern, meiner Tochter mein Hochzeitskleid zeigen zu können oder einen Adventkalender zu basteln“, lächelt sie. „All diese Dinge weiß ich heute so viel mehr zu schätzen als früher.“ Ihre Einstellung möchte Sigrun auch anderen vermitteln. Als Person mit Behinderung weiß sie, wie herausfordernd der Alltag sein kann – auch in einem Land wie Österreich. „Ich erfahre heute auch noch Diskriminierung – werde zum Beispiel von Männern angestarrt oder aus dem Nichts angesprochen“, schildert sie. „Ich erlebe auch, dass Kinder ihre Mütter fragen, warum ich nur ein Bein habe, und die sich dann einfach wegdrehen.“ In der Öffentlichkeit werde viel zu wenig über Behinderungen gesprochen bzw. das Thema einfach weggewischt. Zudem sei die Lage in Österreich in puncto Versorgung nicht allzu unterstützend, erklärt Sigrun. „Die Krankenkassen bezahlen nur das Allernotwendigste, ich habe hier schon viel gekämpft.“ Ihre notwendigen Unterarmstützen habe Sigrun zum Beispiel selbst bezahlen müssen, so etwas sei in Deutschland viel leichter. „Meiner Meinung nach wird uns Amputierten zu wenig zugetraut, mit oder ohne Prothese“, sagt Sigrun. „Ich möchte normal an Sportveranstaltungen teilnehmen können und mich nicht zurückhalten müssen.“
Trotz oder gerade weil das Thema noch immer nicht in der Gesellschaft angekommen ist, möchte Sigrun ihre Erfahrungen und Erfolge mit anderen teilen. Sie stellt aber klar: „Ich bin ein sehr aktiver Mensch – was ich tue, ist natürlich kein Muss für alle!” Auf Social Media erlebe sie, dass manche glauben, die Sportlerin würde ihre persönlichen Leistungen auch von anderen verlangen. Dem sei keineswegs so. „Ich möchte einfach zeigen, dass so vieles geht, wenn man wirklich will.“
Auch die aktuelle Coronalage sei eine sehr herausfordernde, umso dankbarer ist Sigrun für die Möglichkeit der Impfung und appelliert auch an andere, sich zu schützen. „Ich möchte wieder ohne Angst in eine Therme fahren oder ein Event besuchen können, das ist mein sehnlichster Wunsch.“
Blick Richtung Zukunft
Wie schauen die kommenden Monate für die 51-Jährige aus? „Meine Hochzeit steht bevor, darauf freue ich mich unglaublich –trotz einer weiteren großen Operation im März möchte ich den Blick für das Wesentliche nicht verlieren“, sagt sie. Für ihre berufliche Laufbahn ist sie offen für Angebote und träumt von einer Tätigkeit, bei der sie mit anderen Menschen zu tun hat – „… und im besten Fall vielleicht sogar mit Sport“. Wir wünschen Sigrun nur das Allerbeste!