Loading…
Du befindest dich hier: Home | People

People | 09.12.2021

Von Liebe in Zeiten der Trauer

Jeder Mensch sollte sich mit dem Tod auseinandersetzen, findet Hospizbegleiterin Helga Maria Lechner: „Weil es so ein Geschenk ist, wenn man ihn einfach annehmen kann.“

Fotos: © Thomas Luef, Sterntalerhof

Bild 2109_ST_EM_Sterntalerh-1.jpg

Der Sterntalerhof  beschäftigt sich mit einem Thema, das vielen Tränen in die Augen bringt. Hier bekommen Familien eine Auszeit von ihrem belastenden Alltag. Ihre Kinder sind schwer behindert, manchen naht ein früher Tod, oft ist ein Elternteil todkrank. Am Hof werden sie auf ihrem schwierigen Weg begleitet, um die Situation besser zu verarbeiten, für eine Zeit von ihren Sorgen abzuschalten. Auf jedes Familienmitglied wird individuell eingegangen, jedes Bedürfnis findet seinen Platz. Die Begleitenden betreuen größtenteils ehrenamtlich. Helga Maria Lechner ist eine von ihnen.

Die pensionierte Gemeindesekretärin hat selbst drei Töchter und acht Enkelkinder und ist eine „sehr engagierte Omi“, wie sie sagt. Als Obfrau-Stellvertreterin des Hospiz Hartberg hilft sie sterbenden Menschen und ihren Hinterbliebenen über den Abschied und die Trauer hinweg – und bemüht sich am Sterntalerhof darum, Familien für einen Augenblick die Last zu nehmen.

Hilfe durch Selbsthilfe
Als Helgas Vater 2009 im Sterben lag, fühlte sie sich hilflos. Um mehr Sicherheit im Umgang mit dem Tod zu finden, entschied sie sich für die Hospiz-Grundausbildung in Hartberg. Dass sie nach seinem Tod in diesem Bereich bleiben würde, hätte sie sich zu Beginn nicht gedacht. Sie absolviert auch einen Kinderhospizkurs am Sterntalerhof, „da bin ich dann picken geblieben“. Helga wird vom Sterntalerhof eingeladen, wenn der Besuch einer Familie ansteht, die zu ihr passen könnte. Dann nimmt sie sich Zeit und kommt täglich, wöchentlich oder auch nur einmalig vorbei, um zu unterstützen. „Ich bin dann für das Kind oder Geschwisterkind da, spiele mit ihm, betreue es. Damit die Eltern auch mal ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen können.“

Pferdeliebe
Der Tagesablauf der Familien ist entspannt und individuell verschieden. Erst gibt es Frühstück in ihrer Einheit, dann ein gemeinsames Morgenritual und danach macht jeder das, wo es gerade ein Bedürfnis gibt. „Mit schwerkranken Kindern geht es oft zu den Therapiepferden. Die Pferde lassen sich so auf die Kinder ein, es ist unbeschreiblich“, erzählt Helga gerührt. Einmal war ein Bub da, der tagelang keine Minute geschlafen hatte. Doch sobald er am sich rhythmisch bewegenden Pferd saß, war er auch schon eingeschlafen. „Das Pferd ist dann zwei Stunden lang stehen geblieben, damit der Bub schlafen konnte. Das hat es gespürt.“ Heute noch kommen ihr bei dieser Geschichte die Tränen.

Bild 2109_ST_EM_Sterntalerh-2#1.jpg

Freude schenken
Wie entscheidet man sich für ein Ehrenamt, das mit so viel Trauer verbunden ist? „Es ist das Gefühl, mit dem ich heimgehe – es ist nicht in Worte zu fassen“, sagt Helga. Für sie ist es das Schenken von Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit, aber auch gegenseitige Wertschätzung und die vielen schönen Erfahrungen. Der Begleitung begegnet sie aber mit Respekt: „Ich weiß nie, was auf mich zukommt.“ In den Teamtreffen mit den anderen Ehrenamtlichen finden alle Gefühle Platz: Hier können sie alles erzählen, was sie belastet, aber auch was ihnen Freude bereitet. „Es ist so berührend, wie sich Menschen im geschützten Rahmen öffnen.“

Liebe und Leichtigkeit
Für viele wäre eine Arbeit im Kinderhospiz vor allem schwierig, für Helga ist es das nicht. „Ich kann nur Liebe empfinden, es belastet mich überhaupt nicht.“ Nicht alle, die auf den Sterntalerhof finden, müssen sich akut auf einen Abschied vorbereiten, aber viele Kinder haben Krankheiten mit lebensverkürzendem Ausgang. „Ich empfinde die Begleitungen nicht als schwer, sonst könnte ich keinem Menschen helfen. Der Tod gehört für mich einfach zum Leben dazu.“ Die positive Einstellung hat sich Helga durch ihre Erfahrungen und die Ausbildungen erarbeitet. Ihr Mantra: Es ist immer alles gut, so wie es ist. Das hat sie sich manifestiert. „Ich tue mir so leicht damit, positiv zu denken – mit Leichtigkeit zu leben, das ist so ein Geschenk.“

Bild 2109_ST_EM_Sterntalerh-3.jpg

Nähe und Dasein
Die positive Energie möchte sie auch den Familien mitgeben. Der Slogan des Sterntalerhofs lautet „Da sein“ – im Hier und Jetzt sein zu dürfen, wahrgenommen zu werden. „Das kranke Kind steht zu Hause meist im Mittelpunkt. Wenn ich für das Geschwisterkind da bin, dann bin ich nur für dieses da. Viele sind auffällig oder schwierig, weil sie mehr Aufmerksamkeit bräuchten – es ist wichtig, dass das gesunde Kind auch mal im Mittelpunkt sein darf.“

Zeiten der Trauer
Im Hospiz in Hartberg macht Helga Trauerbegleitungen. Manche Hinterbliebenen haben niemanden zum Verarbeiten. „Mit Außenstehenden spricht es sich anders. Da darf alles sein – aufkommende Wut, Urteilungen, Dinge, die man nicht mit seinen Kindern bereden kann. Da bin ich da, höre zu, mache sie stark.“ Wenn Kommunikation nicht mehr möglich ist, sitzt sie manchmal auch nur da und hält eine Hand. „Aber die Leute spüren das; manchmal kommt ein Lächeln, manchmal drücken sie die Hand.“ Sie hört zu, versucht zu ermutigen, auf sich selbst zu schauen. Die Trauerbegleitung macht sie so lange, wie sie gebraucht wird – einmal waren es sogar fünf Jahre. Man trifft sich, telefoniert und wenn sie merkt, dass sie gebraucht wird, fährt sie hin. Es wird zugehört, geredet, geweint, da weint sie auch mal mit. Die Tätigkeit ist ein Ehrenamt, das sie mit viel Liebe, aber auch in Grenzen ausübt: „weil ich auch eine sehr engagierte Omi bin – und mich auch gerne mit dem Leben beschäftige.“

www.sterntalerhof.at

Bild 2109_ST_EM_Sterntalerh-2.jpg