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People | 11.11.2021

Ein Leben für die Gleichstellung

Für feministische Arbeit braucht es Engagement und Durchhaltevermögen, sagt Ilse Wieser, denn es ist kein angenehmer Bereich – aber ein lohnender. Über den Weg zur Gleichstellung.

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Ilse Wieser. © Thomas Luef

Als Ilse Wieser ihre Arbeit in der Koordinationsstelle für Geschlechterstudien und Gleichstellung der Uni Graz beginnt, wird gleichstellungsorientierte Personalentwicklung erstmals thematisiert. Die wenigen frauenspezifischen Lehrveranstaltungen, die Gender betreffen, sind hart erkämpft. Heute ist das Masterstudium Gender Studies jährlich gut besucht, Strukturen lockern sich und Frauen werden langsam mitgedacht. Dennoch, bis zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter ist es noch ein weiter Weg, den Ilse Wieser seit Jahrzehnten täglich beschreitet. Ihr Leben lang arbeitet und engagiert sie sich für Frauenförderung und Gleichstellung. Sie ist Mitgründerin der seit 1991 stattfindenden FrauenStadtSpaziergängen und ist eine der Sprecherinnen der OMAS GEGEN RECHTS Steiermark. 2020 wurde sie für ihr lebenslanges Wirken als „Alltagsfeministin“ mit dem Grazer Frauenpreis ausgezeichnet. Wir sprechen mit ihr über patriarchale Strukturen an der Universität und wo Gleichstellung auf Widerstand stößt.

STEIRERIN: Was hat sich an der Uni in den letzten Jahren getan?
Ilse Wieser: Wir haben mit gleichstellungsorientierter Personalentwicklung begonnen, große Frauenförderungsprogramme mit anderen Unis initiiert. Wir schauen, dass sich Frauen vernetzen und gegenseitig unterstützen, damit sie nicht vergessen werden – Männer denken bei Postenbesetzung oft nicht an Frauen. Dieses Vergessen hat einen patriarchalen Hintergrund und ist noch  präsent.

Woran wird aktuell gearbeitet?
Wir veröffentlichen Berichte mit Zahlen, Fakten und Analysen. Das ist auch allen eingängig, dass ein Professorinnenanteil von 27 bis 30 % bei 62 % Studentinnen zu wenig ist. Das härteste Aufgabenfeld ist „Fixing the Institution“: Da geht es um Transparenz sowie Nachvollziehbarkeit von Strukturen und Prozessen wie der Ernennung von ProfessorInnen.

Sollten es Frauen heute nicht schon leichter haben?
Wir haben an Universitäten weltweit einen Deckel von durchschnittlich 30 % Professorinnen – mehr lassen sich Männer nicht gefallen. Deswegen reden wir immer von einer Männerquote von 70 %, dann wird das Problem deutlicher. Frauen können ihre wissenschaftlichen Qualifikationen noch immer nicht in Zugang zu Status in der Scientific Community umsetzen – wir sprechen von einem sexistischen Defizit in der Universitätskultur.

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© Thomas Luef

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© Thomas Luef

Wieso muss es da überhaupt Widerstand geben?
Die Emanzipation bringt den Freiheitsgedanken für alle mit sich. Dass er bei Frauen um 1900 so stark geworden ist, war nicht vorauszusehen. Jetzt müssen Männer damit umgehen, dass sie Privilegien verlieren. Es gibt Widerstand, weil Gleichstellung viel in Bewegung bringt. Aber mit Widerstand muss man rechnen, wenn man Neues durchsetzen und Hinderliches verändern will. Feminismus kann nie eine rein politische, sondern muss immer auch eine soziale Bewegung sein.

Wie wirkt sich das patriarchale System an der Uni aus?
Man muss auf alles gefasst sein. Wenn Frauen sich für hohe Positionen bewerben, werden sie sogar manchmal bedroht, und dann heißt es, es hätte sich keine beworben.  Es gibt viele Fallen für Frauen, Ausgrenzungen, Desinformation, Sexismus. Deswegen geben wir Frauen Tipps und Infos. Man muss strategisch denken, sonst wird man ausgetrickst. Die patriarchale Institution hat Defizite, nicht die Frauen.

Männer lernen, Raum einzunehmen, und Frauen, still zu sein.
Wir haben in unseren Weiterbildungen immer Empowerment dabei: präsent sein, sich einmischen, strategisch denken. Männer werden eher überbezahlt, weil sie lernen, Situationen auszureizen, Frauen lernen das meist nicht. Wenn sie sich aber vernetzen, informieren sie andere Frauen. Der Fluss an Informationen von Männern zu Frauen ist verstopft. Das Hindernis sind Männerdominanz und Geschlechter­stereotype.


© Thomas Luef

 

 

 

Zur Person:

Ilse Wieser hat ihr ganzes Leben im Gleichstellungsbereich gearbeitet und unter anderem die Grazer FrauenStadtSpaziergänge, veranstaltet vom Frauenservice Graz, mitbegründet. 2020 wurde sie mit dem Grazer Frauenpreis geehrt.