People | 21.09.2021
Bewusst.Sein.Schaffen.
Einunddreißig, elf, fünf – hinter diesen Zahlen stehen erschütternde Fakten. 2020 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 31 Frauen ermordet. Die Täter waren meist (Ex-)Partner oder Familienmitglieder. 11 Frauen verloren heuer bereits durch Gewalt ihr Leben. Und jede 5. Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt.
Frauenmorde sind oft das traurige Ende einer langen Gewaltspirale. Diese zu durchbrechen und solche tragischen Fälle zu verhindern gilt es, betont Landtagspräsidentin und VP-Frauen-Landesleiterin Manuela Khom. „Ansetzen müssen wir dazu bereits ganz am Anfang, bei einem für viele harmlos wirkenden Punkt: der Sprache.“
Frau Landtagpräsidentin, Sie selbst sind immer wieder persönlich mit dem Thema Aggression in der Sprache konfrontiert.
Ja, es ist eine deutliche Zunahme bemerkbar. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird der Ton immer rauer. Das ist gerade als Politiker deutlich merkbar. Obwohl wir von Berufswegen schon eine dickere Haut haben, wird da oftmals die Grenz massiv überschritten.
Wie gehen Sie damit um?
Ich habe es selbst schon erlebt, dass wenn man Leute direkt auf böswillige Kommentare anschreibt oder anspricht, dass diese oftmals darüber nachdenken und sich entschuldigen. Die Anonymität des Netzes ist aber prinzipiell eben sehr verlockend, um im Umgang mit der Sprache Grenzen zu überschreiten.
Ist das ein Thema, das auch allgemein zu beobachten ist?
Es findet eindeutig eine Verrohung der Sprache statt. Eine bedenkliche Entwicklung. Denn ist Gewalt einmal zur Norm in der Sprache geworden, sinkt auch die Hemmschwelle, diese Gewalt in die Tat umzusetzen.
Wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?
Dass sich die Gesetzeslage beim Thema Hass im Netz langsam verändert, ist ein sehr wichtiger Schritt. Man muss für diese Thematik einfach mehr Bewusstsein schaffen. Vielen Menschen ist es oft gar nicht klar, wie beleidigend sie sind.
Neu ist das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz. Was besagt es?
Das Gesetzespaket „Hass im Netz“ trat Anfang des Jahres in Kraft. Damit soll ein effektiverer Schutz vor Hasspostings im Internet gewährleistet werden. Darüber hinaus wird damit klargestellt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, sondern auch hier der Rechtsstaat gilt.
Abseits von den Sozialen Netzwerken – was kann getan werden?
Das Bewusstsein über die Wirkung von Sprache muss verstärkt werden. Dabei sollten wir früh ansetzen, schon bei den Kindern. Es muss aber auch jedem klar werden, dass Kinder durch Vorbilder lernen. Wenn jeder bei sich selbst anfängt, zu schauen, wie er mit anderen umgeht, oder auch den Mut hat zu sagen, wenn einmal die Grenze überschritten wurde, wären das wichtige Schritte.
Opfer von körperlicher Gewalt sind meist Frauen. Wie kann man von Gewalt betroffenen Frauen helfen?
Dort, wo Gewalt über die Sprache hinausgeht, gibt es bereits ein großflächiges Angebot zum Schützen und Unterstützen. Im Frauenbereich in der Steiermark sind wir mit den Frauen- und Mädchenberatungsstellen flächendeckend im Einsatz, es gibt Krisenwohnungen in allen Regionen und einzigartig in der Steiermark gibt es sogar den Männernotruf. Man muss den Opfern helfen, aber auch den Tätern, die in dieser Spirale gefangen sind.
Viele Opfer scheuen sich aber davor, Hilfe anzunehmen. Warum?
Oft aus Scham. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass oft sogar dem Opfer die Schuld für die Situation gegeben wird und der Täter entschuldigt wird. Das muss sich ändern! Jenen, die betroffen sind, muss man bewusst machen: Du bist Opfer, nicht Täter. Da gibt es nichts zum Schämen. Schämen sollte sich nur jener, der Gewalt ausübt.
Welchen Wunsch hätten Sie für die Zukunft?
Dass ein Umdenken stattfindet. Ein Umdenken in puncto Sprachgebrauch, aber auch in puncto Bewusstsein, dass Gewalt etwas ist, das einfach nicht zu tun ist – egal ob verbal oder körperlich. Und da sind wir alle gefordert, unseren Teil dazu beizutragen.