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People | 23.08.2021

Noch nicht am Ziel

Ein Jahr ist es her, dass auf der ganzen Welt Menschen bei „Black Lives Matter“-Demos gegen Rassismus auf die Straße gingen. Was hat sich seitdem getan? Die STEIRERIN sprach mit Aktivistin Alexandra Seyi.

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© Andrea Eidenhammer

Der 25. Mai 2020 bleibt in Erinnerung als ein Tag der Trauer, Empörung und Wut – und als Anstoß für ein allgegenwärtiges Problem unserer Gesellschaft. Mit der gewaltsamen Tötung von George Floyd wurde deutlich sichtbar, was viele Menschen tagtäglich erleben: Rassistische Diskriminierung gegen schwarze Menschen und PoC (People of Color) ist tief in unserem Denken verankert – in vielen Teilen unserer Welt.

Auch in Österreich – und in Graz – gab und gibt es dazu massiven Aufklärungsbedarf. Aktivistin Alexandra Seyi, die 2020 im Zuge einer Demonstration eine Brandrede am Grazer Hauptplatz gehalten hat, blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück.

Zu wenig Wandel

Die Repräsentation schwarzer Menschen in den Medien sei seit Beginn der „Black Lives Matter“-Bewegung gewachsen, ein Großteil der Solidaritätsbekundungen einflussreicher Firmen hätte allerdings nur oberflächliche Wirkung, sagt Seyi. Mit dieser Einstellung sei eine Änderung in der Struktur niemals zu erreichen. „In den Führungsetagen sehen wir nach wie vor keinen Wandel, keine konkreten Maßnahmen. Blickt man in viele Talkshows, reden dort weiterhin Weiße über Rassismus und nach wie vor werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe beispielsweise öfter von der Polizei kontrolliert als andere – oder sind mit mehr Gewalt konfrontiert“, erklärt sie. Solche Fälle gäbe es leider auch in Österreich zu verzeichnen, das sei keine Pro­blematik nur „da drüben in Amerika“. „Die Zustände äußern sich anhand unzähliger Situationen im Alltag, in denen Personen in unterschiedlichstem Kontext ausgeschlossen oder benachteiligt werden. Sei es bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder in diversen Alltagssituationen.“

Was ist Alexandra Seyis persönliches Resümee nach einem Jahr Black Lives Matter?

„Auf jeden Fall wurde für das Thema mehr Achtsamkeit geschaffen“, sagt sie. „Das kann ich stark bei Privatpersonen erkennen und die Entwicklung ist begrüßenswert. Immer mehr Personen merken, wie verletzend es ist, gewisse Begriffe zu verwenden, und reflektieren über ihr Verhalten, um es anschließend zu ändern.“ Auch das Einschreiten bei der Beobachtung von Alltagsrassismus sei enorm wichtig, wenn man sich solidarisch zeigen möchte. Viele Menschen reproduzierten aus Sicht von Seyi nicht aus purer Böswilligkeit diskriminierende Ansichten, sondern weil sie so sozialisiert wurden. „Da herrscht teilweise gar kein Bewusstsein für die Problematik. Einsehen zu müssen, dass das eigene Verhalten unangebracht und beleidigend ist und man daran etwas ändern sollte – damit haben viele ein Problem. Und genau daran müssen wir arbeiten.“

In ihrem persönlichen Umfeld sei der Aktivistin positiv aufgefallen, dass sich Bekannte mit ihrem neu entwickelten Bewusstsein weitergebildet hatten. Das sei ihrer Meinung nach ein guter Weg, um sich mit der eigenen Geschichte und dem System auseinanderzusetzen, von dem Privilegierte täglich profitieren. Titel wie „Exit Racism“, „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen – aber wissen sollten“ und viele weitere sollten auch in Schulen mehr besprochen werden, schlägt Seyi vor. „Die Kolonialgeschichte zum Beispiel wird im Unterricht aktuell noch romantisiert und das Leid vieler schwarzer Menschen he­runtergespielt. Wir alle wachsen in einer rassistischen Gesellschaft auf – lernen wir, damit umzugehen.“

Aufklärungsarbeit gefordert

Aus diesem Grund fordert sie mehr Aufklärungsarbeit – nicht nur im pädagogischen Bereich, sondern auch bei Polizei und in Unternehmen. Hier könne man mit Workshops daran arbeiten, eine offenere und reflektierte Geisteshaltung zu fördern. „Die Zustände werden sich nicht bessern, wenn wir keine Kritik üben.“

Was Seyi unterstützenswert findet?

Initiativen wie das Black-Voices-Volksbegehren setzen sich für eine faire, gleichberechtigte Gesellschaft und die Aufarbeitung struktureller Missstände ein. Mit dem Unterschreiben von Petitionen könne man seinen Beitrag dazu leisten. Auch kostenloses Unterrichtsmaterial für Lehrpersonen gäbe es zum Download. Als weitere Anlaufstellen nennt die 20-Jährige zum Beispiel „Tanaka Graz“, „ZARA“ oder „Breaking Silence“. Mit ihrer Aufklärungs- und Bildungsarbeit versuchen diese und ähnliche Initiativen verständlich zu machen, wie umfassend die Dimensionen und Ausprägungen von Rassismus im Alltag ausfallen. Und erklären, wie sich etwas bessern könnte.

Aktivistin Alexandra Seyi tritt seit ihrer Schulzeit für Themen ein, die ihr am Herzen liegen, wie zum Beispiel die Gleichstellung der Geschlechter. Außerdem setzt sie sich unter anderem für die Grünen-Jugend und Tanaka Graz ein. Im Rahmen ihres Soziologie-Studiums beschäftigt sie sich fundiert mit dem Thema Gleichberechtigung.