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People | 11.08.2021

Frauen & Finanzen

Warum ist es gerade für Frauen so wichtig, ihr Finanzwissen zu erweitern? Wie verhindert man Altersarmut? Und was sind nachhaltige Geldanlageformen? Steirische Expertinnen und Experten klären auf.

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© Shutterstock

Julia Aichhorn und Dominik Santner

Vorsitzende Junge Industrie Steiermark


© Marija Kanizaj


© Marija Kanizaj

Vereinbarkeit und Kinderbetreuung – warum sind die Themen so wichtig für die steirische Industrie und die Wirtschaft im Allgemeinen?
Julia Aichhorn: In der Steiermark gibt es viele junge top-ausgebildete Frauen. Diese sind, wenn es zum Thema Familienplanung kommt, mit der Herausforderung konfrontiert, dass der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen in der Steiermark nicht gedeckt ist. Das hat wiederum zur Folge, dass viele Frauen erst später und dann oft nur Teilzeit zurück in die Arbeitswelt kommen.

Wie sieht die aktuelle Situation dazu in der Steiermark aus?
Dominik Santner: Derzeit werden laut Kindertagesheimstatistik in der Steiermark 22 Prozent der 0- bis 3-Jährigen betreut. In Wien sind es 46 Prozent. Damit bilden wir im Bundesländervergleich in Österreich das Schlusslicht. Bei den 3- bis 6-Jährigen sind 78 Prozent der Kinder nur vormittags in Betreuung. Da bildet die Steiermark gemeinsam mit Vorarlberg das Schlusslicht.

Wieso sind diese Themen gerade für Frauen von so großer Bedeutung?
Julia Aichhorn: Es ist nach wie vor so, dass Frauen hauptsächlich für die Kinderbetreuung innerhalb der Familie zuständig sind. Kommen Sie nicht oder nur Teilzeit zurück in den Beruf, sind für sie kurz- wie auch langfristig finanzielle Einbußen die Folge. Darüber hinaus kann eine Teilzeitbeschäftigung auch Auswirkungen auf Karriere­chancen haben. Und wir dürfen nicht vergessen, Arbeit ist sinnstiftend und stellt auch im Leben von Mamas einen wichtigen Bereich dar.

 

Mehr Kinderbetreuungsplätze bedeuten finanzielle
Absicherung sowie weniger Fachkräftemangel.

 

Die Junge Industrie Steiermark hat ein umfassendes Lösungspapier zu dieser Thematik erarbeitet.
Dominik Santner: Wir haben mit Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen diskutiert und das Ergebnis in einem umfassenden Lösungspapier nun präsentiert. Wir möchten dazu beitragen, dass sich in der Steiermark die Rahmenbedingungen für Familien ändern und dass vor allem Frauen die Möglichkeit haben, karrieretechnische und finanzielle Langzeitfolgen durch Karenzzeiten abzuwenden.

Welche Möglichkeiten werden darin vorgeschlagen?
Julia Aichhorn: Die Lösungsideen spannen einen breiten Bogen: Eine höhere Betreuungsquote durch Ausbau, flexible Betreuungszeitmodelle und geteilte Plätze, den rechtlichen Rahmen vereinfachen und Anreize für Partnerschaftlichkeit schaffen und zu Risiken und Nebenwirkungen langer Karenz- und Elternteilzeiten aufklären sind dabei nur Beispiele.

Was muss geschehen, damit diese Ideen wirklich umgesetzt werden?
Dominik Santner: Dafür braucht es vor allem ein Umdenken und ein neues Bewusstsein für die große Brisanz des Themas.


Walburga Seidl

Vorstandsmitglied der Steiermärkischen Sparkasse


© Steiermärkische Sparkasse/Strobl

Welche Möglichkeiten gibt es, Geld gewinnbringend anzulegen?
Als Liquiditätsreserve sind traditionelle Anlageformen weiterhin sehr beliebte Optionen. Aufgrund der aktuell bestehenden Niedrigzinsphase empfehlen wir aber immer öfter Fonds, da diese breiter gestreut sind.

Gewisse Anlageformen sind mit einem höheren Risiko verbunden. Warum würden Sie diese dennoch empfehlen?
Ja, das Risiko ist höher, aber das Risiko lässt sich mit professionellem Wissen gut managen. Außerdem sind mit einem gewissen Risiko auch Chancen verbunden. Prinzipiell macht es nicht viel Sinn, große Geldsummen nur am Sparbuch zu parken. Damit macht man de facto unter anderem aufgrund der Geldentwertung Verlust. 

Was versteht man unter nachhaltigen Geldanlageformen?
Darunter versteht man, dass durch Investitionen messbare positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft erzielt werden.

 

Mit professionellem Wissen lässt sich
das Risiko bei Geldanlagen gut managen.

 

Steigt die Nachfrage nach diesen Anlageformen?
Eindeutig ja. Nachhaltige Geldanlage hat bei uns Tradition. Noch lange bevor es dafür ein breites öffentliches Bewusstsein gab, haben wir 2001 den ersten nachhaltigen Publikumsfonds aufgelegt. Seit 2006 wird dieser gemeinsam mit dem WWF verwaltet. Heute sind wir in Österreich der Marktführer in diesem Bereich – mit einem nachhaltig veranlagten Volumen von rund 6,6 Milliarden Euro, in 16 nachhaltigen und mehreren Spezialfonds.

Inwiefern unterstützen Sie bei der Steiermärkischen Sparkassse bei der richtigen Wahl von Anlageformen?
Durch umfangreiche Gespräche, das Definieren von Anlagezielen und das Abwägen zur Bereitschaft von Risiko wird gemeinsam mit unseren professionellen Beraterinnen und Beratern individuell genau analysiert, welche Anlageform am besten zur einzelnen Person passt.

Warum sollte Geld nicht nur Männersache sein?
Die Daten zeigen klar, das es in diesem Bereich von Seiten der Frauen noch Aufholbedarf gibt. Es ist einfach wichtig, dass Frauen langfristig denken und sich finanziell eine gewisse Unabhängigkeit aufbauen.


Bernadette Pöcheim

Leiterin der Abteilung Frauen & Gleichstellung der Arbeiterkammer Steiermark


© AK Steiermark/Graf-Putz

Warum sind gerade Frauen so ex­trem vom Thema Altersarmut betroffen?
Nach wie vor ist es so, dass Frauen einen Großteil der unbezahlten Arbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Hausarbeit leisten. Aufgrund dieses Umstandes ist jede 2. Frau in Teilzeit beschäftigt. Zudem arbeiten Frauen sehr häufig in den klassischen „Frauenbranchen“, wie Gastgewerbe, Dienstleistungsbereich, Handel oder Friseur. Hier ist das Einkommen deutlich niedriger. Weniger Lohn ergibt aber auch weniger Pension. Die durchschnittliche Frauenpension ist um 50 % geringer als die Männerpension und beträgt circa 930 Euro.

Inwiefern spielt das Thema Corona bei der Problematik mit hinein?
Die Coronakrise hat dazu geführt, dass Frauen die Erwerbsarbeit reduziert haben, da durch die teilweise Schließung der Schulen und Betreuungseinrichtungen zusätzliche unbezahlte Arbeit angefallen ist

Welche Schritte müssen gesetzt werden, um die drohende Altersarmut zu verhindern?
Ein wesentlicher Grund, warum Frauen in Teilzeit arbeiten, ist unter anderem, dass viele Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allem in den ländlichen Regionen, bereits um 14 Uhr schließen. Wesentlich ist daher der Ausbau der sozialen Infrastruktur. Zudem ist auch eine Neubewertung der Arbeit notwendig. Wesentlich ist auch die partnerschaftliche Teilung der Betreuungspflichten, wie auch eine Firmenkultur, die auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern Rücksicht nimmt.

 

Die durchschnittliche Frauenpension ist um 50 % geringer
als die Männerpension und beträgt circa 930 Euro.

 

Haben Sie Tipps, wie man sich vorausschauend eine bessere Pension sichert?
Das Pensionssplitting ist eine Möglichkeit, aber auch eine freiwillige Höherversicherung. Sinnvoll ist es auch, bereits während der Kinder­erziehungszeit wieder berufstätig zu sein und die Teilzeitphasen möglichst kurz zu halten.

Stichwort: freiwilliges Pensionssplitting. Was versteht man darunter genau?
Dabei überträgt der Elternteil, der sich nicht überwiegend der Kinder­erziehung widmet und erwerbstätig ist, bis zu 50 Prozent der Pensionskontogutschrift auf das Pensionskonto des Elternteils, der sich überwiegend der Kindererziehung widmet.

Welche Unterstützungsleistungen werden seitens der AK Steiermark geboten?
In der Arbeiterkammer gibt es ein umfassendes Beratungsangebot hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie beziehungsweise hinsichtlich der Ausgestaltung der partnerschaftlichen Teilung von Karenzzeiten. Wir unterstützen unsere Mitglieder auch mit einem Karenzbildungskonto, Bildungsscheck und Digi-Bonus.


Regina Ovesny-Straka

Generaldirektorin Volksbank Steiermark


© Prontolux

Das Thema finanzielle Gesundheit ist Ihnen ein persönliches Anliegen. Warum?
Es gibt in diesem Bereich – vor allem bei Frauen – noch sehr viel Aufholbedarf. Mir persönlich war es immer wichtig, finanziell unabhängig zu sein, und es ist mir ein Anliegen, genau diese finanzielle Unabhängigkeit und das Wissen, wie man das erreicht, zu vermitteln.

Wann hat bei Ihnen das Interesse für die eigenen Finanzen begonnen?
Schon als Kind habe ich Taschengeld bekommen, musste aber ein Haushaltsbuch darüber führen. So habe ich gelernt zu sehen, wie viel Geld reinkommt und wie viel Geld ich pro Monat brauche und wann ich auch einmal auf etwas Bestimmtes hinsparen muss. Dieses Bewusstsein für Einnahmen und Ausgaben ist bei vielen Menschen einfach zu wenig gegeben.

Warum appellieren Sie gerade an Frauen, sich auf ihre eigenen finanziellen Beine zu stellen?
Frauen sind durch Karenzzeiten und Teilzeitarbeit kurz- und langfristig viel öfter von finanziellen Problemen betroffen. Ich rate daher, bewusst finanzielle Angelegenheiten in einer Partnerschaft zu regeln. Es ist auch nicht das Falscheste, einen Ehevertrag zu machen. Wenn man verliebt ist, denkt man natürlich nicht daran, dass sich das einmal ändern könnte, aber genau so kommt es dann oft zu finanzieller Abhängigkeit.

 

Finanzielle Gesundheit ist ein Thema, für
das es noch viel zu wenig Bewusstsein gibt.

 

Betreffend Bewusstsein schaffen, wo sollte man am besten für ein Umdenken ansetzen?
Das muss schon bei den Kindern in der Schule beginnen. Die finanzielle Ausbildung an den Schulen ist in Wirklichkeit kaum vorhanden.

Je früher, desto besser also?
Unbedingt. Als junger Mensch mit Anfang 20 sind Pension und Krankheiten meist weit weg. Man sollte aber auch wissen, dass eine Krankenversicherung am günstigsten ist, wenn man sehr jung ist. Und wenn jemand heute nicht in jungen Jahren schon damit anfängt, für die Pension vorzusorgen, wird sich dieser in der Pension mit einer Pensionslücke auseinandersetzen müssen, bei der einem auf gut steirisch „die Ohren wackeln“. 

Inwiefern tragen Sie als Bank zur Aufklärung in diesem Bereich bei?
Wir versuchen, mit jedem Kunden – Mann oder Frau, jung oder alt – darüber zu reden, was es heißt, finanziell gesund zu sein. Das ist bei jedem ein bisschen anders, weil ja jeder andere finanzielle Voraussetzungen hat. Es geht im Grunde aber darum, mit den Kunden zu reden, wie die finanzielle Situation ausschaut, was man jetzt braucht und was man möglicherweise in der Zukunft brauchen könnte. Ich kann nur jedem empfehlen, sich professionelle Unterstützung zu holen, die es in der Bank ja kostenlos gibt.

Abschließend, haben Sie einen persönlichen Tipp für unsere Leserinnen?
Liebe Frauen, stellt euch in allen Lebensbereichen auf die eigenen Füße und habt das Selbstvertrauen, dass ihr das könnt.