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People | 31.05.2021

Corona, das Baby und der Rest der Welt

Gemeinsam einsam. Das Lockdown-Jahr 2020/21 mit Baby hat Spuren hinterlassen. Weniger bei mir als Mama, sondern mehr bei meiner Tochter, die jetzt mit dem Rest der Welt wenig anfangen kann.

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STEIRERIN-Redakteurin Yvonne Hölzl mit ihren Töchtern Romy und Paulin. © Marija Kanizaj

Jedes Baby, das 2020 zur Welt gekommen ist, ist wohl ein Lockdown-Baby. Heute noch. Denn vermutlich haben die wenigsten Mamas nach der Geburt unter strengsten Corona-Maßnahmen daran gedacht, dass der Lockdown – mal hart, mal weniger hart – bis heute, mittlerweile ein Jahr später, anhalten würde. Damals schwanger, dachte ich noch Anfang des Jahres, das Coronavirus mache Urlaub in Kroatien und Italien und bis zum Sommer nehme alles wieder seinen gewohnten Lauf. Doch plötzlich machte ich im ersten Lockdown einsame Spaziergänge (für meinen Mann gab es kein Homeoffice) und grübelte öfter über Klopapier und wie ich ohne Kontakt zur Außenwelt zu Lebensmitteln komme, als über Geburtsschmerzen.

Baby-Quarantäne. Damals, als ich das erste Mal vor zwölf Jahren Mama wurde, war die anfängliche Zeit Baby-Quarantäne angesagt. Der klägliche Versuch, als Neo-Mama aus dem Pyjama rauszukommen und sich alltagstauglich zu machen, wurde erfolgreich mit einer erneuten Baby-Kotzattacke abgeschmettert. Ich habe mich daher mit dem eigenen Garten statt dem Lieblingscafé arrangiert, während meine Freundinnen freudig Kaffeehaus-Hopping betrieben. Dass es davon noch eine Steigerung geben würde, hätte ich nie gedacht. Im Mai 2020 kam unsere Nachzüglerin Paulin zur Welt und kennt seit jeher vor allem eines so gut wie ihre Schnullersammlung: unser Zuhause! Nicht Oma, nicht Opa, schon gar nicht Mamas beste Freundinnen. Kurze Besuche mit gebührendem Abstand sind offensichtlich weniger prägend für den Nachwuchs. Gemeinsam waren wir jetzt elf Monate einsam.

 

Fremde sind für sie wie extraterrestrische Wesen
und Oma der „schwarze Mann“ inkognito.

 

Resultat: fremde Menschen sind für sie wie extraterrestrische Wesen und Oma der „schwarze Mann“ inkognito. Da helfen auch keine häufigeren Treffen an der frischen Luft. Besser sind da Besuche zu Hause, immerhin ist sie dort Chefin in ihrem Revier. Anfassen? Trotzdem verboten! Das geht über die herkömmliche Fremdelphase hinaus. Was bleibt, sind Besuche im Supermarkt, die wie Ausflüge zum Mond anmuten, und Spaziergänge im Grünen, um Menschen mit Masken in freier Wildbahn aus sicherer Entfernung zu beobachten. Der Mutterkäfig kommt mir in solchen Momenten enger vor als in meiner ersten Elternzeit. Ich vermisse plötzlich meinen Job, meine Freunde, meine Freizeit, mein unbeschwertes Ich. Nein, meine Not hat nichts mit finanziellen Einbußen, Jobverlust oder wirtschaftlichem Detox zu tun. Es ist eine emotionale Not und die Tatsache, dass unsere Corona-Babys asozialisiert aufwachsen. In ihrer wohl prägendsten Phase, in der Kleinkinder das Urvertrauen zur Umwelt und Gesellschaft aufbauen und nach und nach ihren Platz darin finden. Babys und Kleinkinder brauchen nicht nur die Mama!

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Coronazeit ist auch Familienzeit: Redakteurin Yvonne Hölzl mit ihrem Ehemann Gerald und den Töchtern Romy und Paulin. © Marija Kanizaj

Selfcare, oder so ähnlich. Wie führen wir nun unsere Kleinkinder an den Rest der Welt ganz ohne Schocktherapie heran, wenn wir wieder grünes Licht für einen normalen Alltag bekommen? Mama-mit-Baby-Angebote sollten daher auch im Lockdown mit entsprechenden Maßnahmen größere Prioritäten haben. Der Austausch mit Müttern und der Kontakt unter Kindern gehört zur gesunden Entwicklung – damit Mamas in ihre neue Rolle hineinwachsen und Babys sich sozial uneingeschränkt entwickeln können. Um uns Mamas ist es in der Coronazeit ziemlich leise geworden. Vielleicht haben wir nicht mehr die Kraft, zwischen Babybrei, Homeschooling und Job laut zu werden. Wenigstens lebe ich in meiner „Bubble“ ziemlich rosarot dahin. Selfcare hat seit Kontaktbeschränkung und Café-Schließungen eine neue Bedeutung gewonnen und ich mache es mir ganz nach dem Motto #goingnowherebutfuckitimgettingdressed daheim trotzdem schick. Vielleicht, um etwas Normalität vorzuspielen. Immerhin meinte Modedesigner Karl Lagerfeld mal: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Da hatte der Meister wohl eine Vorahnung, denn die Kontrolle haben wir wahrlich verloren. Und alle greifen im Homeoffice zur … na, Sie wissen schon … Jogginghose. Aber wir kriegen das dennoch alles gut hin und lassen uns nicht das schöne erste Babyjahr vermiesen. Auch wenn meine Tochter vielleicht etwas länger brauchen wird, um Familienmitglieder wiederzuerkennen und mit neuen Bekannten vertraut zu werden.

Draußen soll sich die Welt trotz Baby-Quarantäne weiterdrehen – sagt mein Mann. Wir sehen uns das jetzt auch an, denn mit den steigenden Temperaturen häuft sich die Kontaktaufnahme mit der Außenwelt. Wer weiß, vielleicht lösen sich Berührungsängste bei Paulin dann, wenn Berührungen wieder „normal“ sind. 



© beigestellt

Eva Hiebler, Säuglings-, Kinder- und Jugendtherapeutin am Institut für Familienförderung

 

Tipps für Mütter

So erleichtern Sie Säuglingen und Kleinkindern den Übergang zu erweiterten Bezugspersonen.

 

Regelmäßiger Austausch via Skype oder Zoom mit anderen Müttern
Der Umstieg in neue Alltagssituationen, wie in Kinderkrippe oder zur Tagesmutter, kann he­rausfordernd sein. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Eltern sich auf diesen neuen Lebensabschnitt ihres Kindes vorbereiten und sich austauschen können.

Spielerisch an Masken gewöhnen
Geben Sie eine Maske nur für spielerische Zwecke im Haushalt frei. „Guck, guck, da, da“ ist ein gutes Spiel, damit Säuglinge und Kleinkinder verstehen lernen, dass sich immer ein Gesicht hinter der Maske befindet.

Zunehmend an erweiterte Bezugspersonen gewöhnen
Spiele, Fotos und Videoanrufe ermöglichen einen Wiedererkennungswert, der den Einstieg in die Kontaktaufnahme zu Oma, Opa, Tante und Co. erleichtert.

Nicht unter Druck setzen
Geben Sie sich und Ihrem Kind in den jeweiligen Entwicklungsphasen Zeit. Übergänge in Kinderkrippen können erleichtert werden, indem vorab ein Austausch mit den jeweiligen PädagogInnen initiiert wird.

Reizen aussetzen
Ermöglichen Sie Ihrem Kind zu Hause, Reize in unterschiedlichen Lautstärken wahrzunehmen, und nehmen Sie es so oft wie möglich in Alltagsituationen wie Einkaufen, Abholen von Geschwisterkindern von Kindergarten oder Schule mit.