People | 01.02.2021
Lachen, Ablenken und Nachdenken
Wo große Vorgänger à la Hader sich die wildesten (natürlich echten) Geschichten aus der Nase ziehen, setzt das Grazer Nachwuchstalent im Musik--Kabarett auf persönliche Erfahrungen: Bei Elli Bauer kommen Dinge zur Sprache, die sie selbst erlebt hat, kennt und versteht – so bleiben ihre Shows originell und ganz authentisch. Seit 2019 steht sie mit ihrem ersten Programm „Stoffsackerlspruch“ auf Kleinkunstbühnen in ganz Österreich und plaudert transparent und selbstkritisch über ihre Bubble in Graz Jakomini, wo sie aufgewachsen ist, was es bedeutet, in einer Generation ohne Probleme links zu sein, Weiblichkeitsthemen und die Großmutter. Im Interview sprechen wir über Humor auf Abruf und die Aufgabe des Kabaretts zur Sozialkritik.
STEIRERIN: Wie bist du zum Kabarett gekommen – war das immer schon in dir drinnen?
Elli Bauer: Laut meinen Eltern war es immer schon da. Ich bin immer schon gerne auf der Bühne gestanden, habe Leute zum Lachen gebracht. Ich habe auch ganz früh angefangen, Instrumente zu spielen. Auf der Bühne ist das hauptsächlich Gitarre, aber ich spiele auch Klavier, Blockflöte, Ukulele und Sitztrommel. Und singe natürlich.
Hast du eine Traumbühne, auf der du mal stehen möchtest?
Mein Ziel war immer, dass ich problemlos davon leben will, was auch immer das bedeutet. Ich habe gar nicht das Bedürfnis, im Fernsehen zu sein oder auf riesigen Bühnen zu stehen. Ich durfte mal im Rathaus in Wien vor 2.000 Leuten spielen. Natürlich voll der Hammer, aber das habe ich irrsinnig schwierig gefunden. 50 bis 100 Zuschauer finde ich super. Ich will die Stimmung spüren, das verliert sich in großen Räumen. Das ist aber im Kabarett total wichtig, finde ich.
Ist Humor für dich was Abrufbares oder ist er immer da?
Ich navigiere prinzipiell mit relativ viel Humor durchs Leben. Ich bin aber nicht die, die permanent auf Schmäh drucken muss und schaut, ob jetzt auch alle lachen. Auf der Bühne ist es beinhart: Du kannst Kabarett daheim üben, so viel du willst, du brauchst die Reaktion vom Publikum. Und wenn du was probierst und es ist totenstill, dann musst du da durch. Dann wird so lange umgeschrieben, bis es funktioniert – allerdings ist das dann eher ein Timing und Pointensetzen als im Moment lustig sein.
Triffst du oft auf Leute, die zu dir sagen: „Sag mal schnell was Lustiges“?
Was mir eher passiert, ist, dass Leute nach einem Auftritt hergehen und mir einen Witz erzählen, so auf „Kennst den a schon?“. Sie versuchen, mich zum Lachen zu bringen, das finde ich charmant. Das zeigt ja auch, dass es ihnen getaugt hat, und sie versuchen, mit dir in Kontakt zu kommen. Manchmal ist es auch lustig.
Hast du eine unterschwellige Botschaft?
Ich versuche, mit sehr viel Selbstironie zu arbeiten. Im Kabarett wird immer gesagt, dem Publikum wird ein Spiegel vorgehalten. Ich würde das nie von oben herab machen wollen und mit dem Zeigefinger wackeln, zuerst würde ich mich immer selbst verarschen. Selbstironie ist für mich in jeder Lebenslage etwas enorm Wichtiges. Wofür glaube ich einzustehen, mache es dann aber doch nicht? Welche Parolen rufe ich, die dann eigentlich nur leere Parolen sind?
Was möchtest du, dass dein Publikum von dir mitnimmt?
Ich wünsche mir bei meinen Kabaretts nur, das Leute vielleicht 1,5 Stunden nicht an ihre Sorgen gedacht haben. Weil was jemand vom Inhalt mitnimmt, ist von Person zu Person verschieden. Vielleicht ärgert es manche auch, was ich sage, aber dann haben sie zumindest nicht an ihre Kreditkartenabrechnung gedacht. Wenn ich es schaffe, sie so am Ball zu halten, dass sie bei mir sind und nicht bei ihren Sorgen, dann habe ich gewonnen. Das ist meine Aufgabe.
Ist ihre Selbstreflexion dann auch ein Wunsch von dir?
Ich möchte selbst schauen, dass ich mache, was ich denke, das g’scheit ist, und das präsentieren – was Leute dann damit machen, ist deren Aufgabe. Ich würde da gar nicht vorgreifen wollen, ich finde, das ist so belehrend. Ich bin keine Psychologin und keine Politikerin, ich bin Kabarettistin.
Also Kabarett muss für dich gar nicht so sozialkritisch sein?
Es sollte auf jeden Fall sozialkritisch sein – egal ob das jetzt parteipolitisch- oder sozialpolitisch-kritisch ist. Es geht mir nicht darum, die Leute einfach nur zum Lachen zu bringen, ich mag sie auch zum Nachdenken bringen. Aber ich will es nicht verlangen wollen, weil Denkanstöße manchmal auch ungeahnt passieren. Man kriegt hier einen Denkanstoß, dann kommt woanders noch einer und zwei Jahre später kommt man dann selbst drauf. Es ist ein Missverständnis der heutigen Zeit, zu glauben, man könnte mit etwas, das auf der Bühne passiert, eine sofortige Änderung bewirken. Das halte ich für utopisch. Das beste Kabarett ist sozialkritisch. Aber was dann damit passiert, ist die Sache vom Publikum.
Was sollte man über das Kabarett wissen?
Dass sehr viel Arbeit in Bühnenkunst steckt. Es sind eben nicht nur diese 1,5 Stunden, die man auf der Bühne steht, sondern ein ganzes Leben voller Musikstunden, stundenlanges Texten, Zugfahrten, Videos machen, PR machen, Buchhaltung … Also wenn man sich eine Karte für etwas kauft und sich denkt, boah, das ist teuer – wenn man sich aufrechnet, was da alles dahintersteckt, ist es das meistens nicht. Dass man Arbeit, kreativen Input von Leuten – Kabarett, Theater, Musik, Vernissagen – auch wirklich schätzt. Das.