People | 29.10.2020
Die Bio-Pionierin
Als Marianne und Josef Renner vor knapp 35 Jahren beschlossen, Biobauern zu werden, waren sie damit noch ziemlich allein. „Aus Liebe zur Natur und zu den Tieren haben wir beschlossen, den Betrieb organisch zu bewirtschaften, aber damals gab es noch nicht viel Wissen zu diesem Thema“, erzählt Marianne. „Wir haben uns in Arbeitsgruppen über biologische Landwirtschaft informiert und festgestellt: Das ist unser Weg. Wir wollen einen gesunden Betrieb haben, den wir dann auch an unsere Kinder weitergeben können.“ Die beiden stammen aus derselben Gemeinde, Marianne arbeitete damals noch als Diplomkrankenschwester in der Hauskrankenpflege und ihr Mann auf dem Bauernhof seiner Eltern in St. Margarethen an der Raab. 1986 übernahmen sie gemeinsam den Hof und als dann auch Kinder in ihr Leben traten, beschloss Marianne, ihren bisherigen Beruf aufzugeben und sich ganz auf ihre Berufung als Biobäuerin und Mutter zu konzentrieren. Auf den Einsatz von Chemikalien wollten Marianne und Josef von Anfang an verzichten. „Wenn du eine Handvoll Erde nimmst, sind da unzählige Mikroorganismen, kleine Lebewesen drin“, betont Marianne. „Da mit Chemie drüberzufahren, war für uns unmöglich. Diesen Weg wollten wir nicht gehen.“
Bauernhof als Generationen-Projekt. Wichtig war es für Marianne, dass die ganze Familie hinter dem Entschluss stand, den Betrieb auf die organisch-biologische Wirtschaftsweise umzustellen, wie sieht erzählt: „Bauernhof ist Beruf, ist Familie und Freude. Bauernhof sind mehrere Generationen und in erster Linie müssen in der Familie alle dazu Ja sagen, denn man muss schon einiges verändern.“ Das beginnt bei der schonenden Bodenbearbeitung, geht weiter über die Bepflanzung mit einer siebenjährigen Fruchtfolge bis hin zur artgerechten Tierhaltung. Es braucht maschinelle und bauliche Umstellungen. Das sei nicht zuletzt auch eine finanzielle Belastung. Zusätzlich zu den Veränderungen im Betrieb gibt es auch einen Punkt, der sich besonders in diesem Sommer bemerkbar macht: „Als Biobauer ist man dem Klima viel mehr ausgeliefert. Man lebt eben mit der Natur“, sagt Marianne. Das Leben mit der Natur, das Nehmen von und Geben an die Natur ist aber auch genau der Grund, warum sie es liebt, Biobäuerin zu sein.
„Wir schauen aufs Ganze.“ Das ist der Leitsatz am Biohof Renner. Der Hof ist ein eigenes kleines Ökosystem mit Kreislaufwirtschaft. Das bedeutet: Man wirtschaftet mit dem Ziel, einen gesunden Boden, gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und gesunde Menschen zu haben. Was man in dem einen Bereich tut, nützt dem anderen. So bleibt zum Beispiel der Boden durch schonende, humusaufbauende Bearbeitung und Ackerbau nach dem Prinzip der Fruchtfolge gesund. Die Mutterkühe werden mit hofeigenen Kleegrasmischungen, Heu und Getreide gefüttert. „Aus dem Rindermist produzieren wir Kompost, der wiederum als Dünger auf den Boden aufgebracht wird, und die Unkrautbekämpfung erfolgt nicht mit Spritzmitteln, sondern händisch“, erklärt Marianne. Auch die Energieversorgung gehört zu diesem Kreislauf: Mit Sonnenenergie, Hackschnitzelheizung, Regenwassergewinnung und Photovoltaik ist der Biohof Renner nahezu autark.
Fruchtfolge für den gesunden Boden. Das Prinzip der Fruchtfolge sieht vor, dass sich Pflanzen mit unterschiedlicher Wurzelstruktur und unterschiedlicher Bodenbearbeitung abwechseln. So folgt etwa auf den tief wurzelnden Dinkel das Kleegras mit flachen Wurzeln, dann Mais, Sonnenblumen oder Kürbis – das Gegenteil von Monokultur.
Familie Renner hat sich auf Getreide spezialisiert, auf alte Sorten wie Dinkel, Emmer und Einkorn. „Rein aufgrund der Sortenauswahl haben wir keine hohen Erträge, aber das ist uns auch nicht wichtig. Wir wollen einfach gute Qualität. Da ist eine andere Philosophie dahinter“, sagt Marianne. Dass biologische Produkte frisch vom Bauernhof nährstoffreicher und somit gesünder sind als etwa tagelang gelagertes Gemüse aus dem Supermarkt, ist mittlerweile bekannt und wird auch von Ärzten und Experten immer mehr betont. Aber es ist tatsächlich auch so, dass viele biologische Lebensmittel einfach besser schmecken. „Das höre ich von den Leuten immer wieder, und das freut mich sehr“, so Marianne. „Das zeigt mir auch, dass das, was ich tue, wichtig ist und dass es gut ist. Ich möchte den Menschen etwas weitergeben, aber ich möchte auch auf den Bereich, in dem ich lebe, einfach gut schauen und diesen auch gut weitergeben“, sagt sie und ergänzt: „Für Familien mit Kindern ist es auch schön, zu wissen, dass sie auf den Bauernhof kommen können und nicht nur etwas einkaufen, sondern auch das Auto stehen lassen und spazieren gehen können.“
Bio wird immer beliebter. Im Hof-laden Renner gibt es die verschiedenen Getreidesorten aus eigenem Anbau verarbeitet zu Mehl, Nudeln, Reis, Brot, Müsli und vielem mehr. Von anderen Biohöfen in der Region kommen Gemüse, Milchprodukte, Fleisch, Tee, Honig, Säfte, Eingelegtes, Gewürze und saisonale Produkte. Im Sommer umfasst das Sortiment rund 500 Produkte. „Die Direktvermarktung ab Hof war für mich auch ein Weg, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen“, erzählt Marianne. „Es ist so schön, zu sehen, dass die Leute auf den Bauernhof kommen, interessiert sind und Fragen stellen. Im Gegenzug höre ich dann, was die Leute aus den Produkten gemacht haben, was sie mit dem Getreide ausprobiert haben. Das löst bei mir wirklich Herzenswärme aus. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Das ist wunderschön.“ Damals vor 35 Jahren war es nur eine kleine Gruppe Menschen, die Wert auf biologisch erzeugte Produkte legten. Das hat sich seither massiv verändert. „Heute haben diese Lebensmittel einen sehr hohen Stellenwert“, bestätigt sie.
Jeder muss seinen Weg finden. Marianne ist es aber auch sehr wichtig, nicht in Schubladen zu denken und die konventionelle Landwirtschaft nicht schlechtzureden, wie sie betont: „Jeder Bauer muss seinen Weg finden. Bauer sein ist nicht einfach, egal ob organisch--biologisch oder konventionell.“ Alle Bauern würden unter zu niedrigen Preisen und gekürzten EU-Förderungen leiden, müssten mit Großbetrieben in Frankreich und Deutschland auf dem internationalen Markt konkurrieren. Das sei für alle eine Herausforderung. „Es sind einfach zwei verschiedene Wege und zwei verschiedene Gedankengänge. Unser Ansatz ist, zuerst den Boden gesund zu halten, damit Humus vorhanden ist und Nährstoffe drin sind. Die Pflanze sucht sich dann im Boden selbst, was sie braucht. Wir möchten, dass die Pflanzen- und Artenvielfalt Platz zum Leben hat.“
Polenta und gute Apfelernte. Marianne ist eine von mehr als 2.200 steirischen Biobäuerinnen und -bauern, die Mitglieder im Bio-Ernte-Verband sind. Dieses Jahr feiern sie das 40-jährige Bestehen des Verbands und Marianne blickt sehr zuversichtlich in die Zukunft. Sohn Josef ist schon dabei, den Betrieb schrittweise zu übernehmen, erzählt sie stolzt und sie strahlt, wenn sie von der guten Apfelernte, der Polenta aus dem eigenen Mais und von der faszinierenden Getreidesorte Einkorn erzählt. Als Familie gemeinsam mit der Natur zu leben und zu wirtschaften, ist für Marianne einfach ihre Berufung, der sie mit großer Liebe nachgeht. Und diese Liebe gibt sie mit ihren Produkten an die Menschen, die auf den Hof kommen, weiter.
Biohof Renner
Entschendorf 7 • 8321
St. Margarethen an der Raab
Hofladen: Freitag, 9.00 – 18.00 &
Samstag, 8.00 – 14.00