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People | 23.09.2020

"Viel zu lernen, da Bua"

Multitalent Paul Pizzera hat noch 1.000 Ideen im Kopf und ganz viel zu sagen. Im Gespräch mit der STEIRERIN über sein neues Buch, Therapiestunden und veraltete Männerbilder.

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"Ich wache mit einem Puls von 180 auf und zerreiße die Welt.", Paul Pizzera © Thomas Luef

Die Künstlerszene steht seit Monaten im Pause­modus. Der steirische Allround-Künstler Paul Pizzera kann selbst in der Krise nicht stillsitzen, abschalten schon gar nicht. Erst stellt er gemeinsam mit Bandkollege Otto Jaus den Streaming-Dienst „Comedian Rhapsody“ online, wo sie Einblicke in ihre intime Gedankenwelt vor, nach und während ihren Auftritten teilen. Im September erscheint Pizzeras Buch „Der hippokratische Neid“, das Ergebnis einer seit Langem aufgeschobenen Idee, die nun endlich verwirklicht werden konnte. In der Lesedauer einer therapeutischen Sitzung zeichnet er gesellschaftliche Stigmata, um sie anschließend argwöhnisch zu verwerfen.

STEIRERIN: Wer bist du hauptsächlich? Musiker, Kabarettist, Autor …

Paul Pizzera: Am Anfang war natürlich ganz klar, jetzt macht der Kabarettist Musik. Und jetzt reden mich viel mehr Leute auf die Musik an. Nur mehr Musik zu machen, wäre mir aber zu seriös, weil so ist das Leben nicht. Nur lustig sein will ich auch nicht – das wäre mir zu profan. Ich finde, die Mischung macht es aus.


Erzähl mir von deinem Buch „Der hippokratische Neid“.

Das Buch ist ein Dialog zwischen einem Therapeuten und einem Klienten, einem Proleten mit veralteten Werten und falschen Männer- und Frauenbildern. Sein Gegenüber ist zynisch und intellektuell.


Was war dein Zugang zu diesem Thema?

Ich mag unterhalten und die Leute zum Lachen und Nachdenken bringen, das ist natürlich das Grundprinzip. Außerdem glaube ich, dass ein bisschen Sensibilisierungsarbeit nötig ist. Dass die Wichtigkeit von psychischer Gesundheit und die Bereitschaft, therapeutische Gespräche zu führen, bei uns viel mehr verankert sein sollte. Ich sage nicht, dass jeder Mensch einen Psychiater braucht, aber es sollte sich keiner davor scheuen, mal zu sagen: „Hey, irgendwie geht es mir nicht so.“ Ich hatte das selbst vor einigen Jahren – ich war erfolgreich, aber wachte auf und fühlte mich nicht gut. Mir hat es geholfen, mich wieder befreiter zu fühlen.


Es geht um verschiedene Welt- und Fremdbilder.

Genau, in einem sehr humoristischen Zugang. Das Buch erhebt überhaupt keinen Anspruch auf fachliche Richtigkeit. Es ist natürlich auf die Spitze getrieben, aber ich glaube, dass man sich und andere sehr leicht wiederfindet.


Was wäre denn das Männerbild, das du kritisierst?

In erster Linie kritisiere ich Männer, die „zu“ männlich sein wollen – also mit einer dummen Sturheit meinen, gewisse Sachen seien männlich und gewisse Sachen seien unmännlich. Dieses Nicht-­schwach-sein-Dürfen, Hart-sein-Müssen, Nicht-über-Gefühle-reden-Dürfen. Diese etwas stupide Angst vor sich selber zu haben, nicht hinzuschauen, wer man wirklich ist. Ich glaube, dass sich da ganz viele Männer selber im Weg stehen.

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© Thomas Luef

Hast du zukünftig vor, mehr zu schreiben?

Auf jeden Fall! Ich möchte eine Reihe machen, „Die Kunst der Stunde“. Ich will, dass du circa eine Stunde Lesezeit für das Buch hast. Das und die therapeutische Person sollen immer bleiben, die hat immer wieder neue Klienten mit verschiedenen Problemen.


Zu Fremdbildern: Wie glaubst du, dass dich die Mehrheit wahrnimmt?

Ich glaube, bei vielen Menschen kannst du tun, was du willst, denen wirst du nie taugen. Bei anderen kannst du nichts falsch machen, was auch nicht gut ist – sie sollten dir auch kritischer gegenüberstehen. Wie ich wahrgenommen werde … sicher nicht so schlecht, wie ich bin, und sicher nicht so gut, wie ich bin.

Was würdest du denn sagen, wie du bist?

Ich bin ein leider viel zu oft viel zu unentspannter Ehrgeizler, der wahnsinnig ungeduldig ist und noch ganz, ganz viel zu lernen hat – vor allem in sich zu ruhen. Ich wache schon mit einem Puls von 180 auf und zerreiße die Welt. Das ist irgendwie so mein Naturell, das war ich schon immer. Ich bin halt sehr aufgeweckt und quirlig, aber es geht immer besser.


… dafür tust du aber auch sehr viel.

Bei anderen Bands hat man gemerkt, sie chillen mal ein paar Monate – was ja auch okay ist. Und ich habe schon am Anfang einen Stress bekommen. Einerseits fallen einem die Lorbeeren so nicht vom Arsch weg, andererseits glaube ich, dass ich manchmal schöne Sachen nicht so genießen kann, wie sie sind, weil ich schon ans Nächste denke. Auf jeden Fall noch sehr viel zu lernen, der Buah.

Therapiestunde


© Verlag

Der hippokratische Neid
Ein Gespräch in Dialogform zwischen dem intellektuell-zynischen Analytiker und seinem bildungsferneren, reaktionären Prolo-Klienten. Paul Pizzera zu seinem Buch: „Ich hoffe, dass man gut unterhalten wird und versteht, dass jeder Mensch Lehrer und Schüler zugleich sein kann.“