People | 22.02.2019
Augenblick
Wenn ein Mann die schönsten Flecken auf der Welt kennt, wird ein Heiratsantrag nicht irgendein Heiratsantrag. Dieser Mann heißt Wolfgang Fuchs, ist Reisefotograf – und das mit dem Antrag kam so: 20 Jahre war er mit seiner Roswitha bereits liiert, das Paar hatte unzählige Reisen unternommen, ein erklärtes Lieblingsziel war Neuseeland. Daheim in Hart bei Graz lag darüber ein Bildband mit einer beeindruckenden Aufnahme einer Landschaft. Wo sich diese genau befand, stand nicht geschrieben. Dann, als das Paar in Neuseeland war, erklomm Wolfgang Fuchs einen Hügel, um sich einen Überblick zu verschaffen. Oben angekommen, staunte er nicht schlecht: Vor ihm zeigte sich eben jene Traumlandschaft aus dem Bildband. Der Trauring lag bereit, nun galt es nur noch, die Braut aus dem Wohnmobil auf den Hügel zu bitten.
Jahrelange Reisen. Seit 30 Jahren sind die beiden schon auf Reisen, sie haben 150 Länder und Inseln besucht. Seit 13 Jahren ist Tochter Jasmin mit an Bord. Roswitha und Wolfgang Fuchs haben aufregende Geschichten und amüsante Anekdoten zu erzählen, etwa als Wolfgang, in Seilen von der Felsklippe hängend, schier unendlich lange wartend, von oben bis unten voll mit Vogelkot, endlich sein legendäres Bild vom Papageientauchervogel mit den Fischen im Schnabel geschossen hatte. Oder als in Island beim Abtrieb von 800 Wildpferden vom Hochland ins Tal ein derart starker Nebel einfiel, dass man die Hand vor den Augen nicht mehr sehen konnte, und die Tiere naturgemäß machten, was sie wollten, und das Ganze in einem ordentlichen Chaos endete.
Der Anfang. Begonnen hat das Nomadenleben der Familie eher zufällig. Fuchs war in den 1980er-Jahren Außendienstmitarbeiter bei einem Kopier- und Kamerahersteller, dort gewann er einen Fotoapparat und eignete sich als Autodidakt die damals noch analoge Fotokunst an. Die Idee, mit Reisefotos Geld verdienen zu können, gebar das Paar gemeinsam. Das erste, bei Vorträgen verdiente Geld wurde für Equipment ausgegeben, und es gab einen klaren Plan: Nach drei Jahren sollte das Hobby zur geldbringenden Angelegenheit werden. Die Rechnung ging auf, Wolfgang und Roswitha Fuchs waren nun rund ein halbes Jahr auf Reisen – das erste große Ziel war Nordamerika –, die restliche Zeit wurden daheim in Hart Vorträge und die nächsten Reisen vorbereitet.
Die Vorbereitungen. Die Perfektionisten studieren dabei Bildbände und Reiseführer, sie stöbern im Internet nach Informationen zu den besten Jahreszeiten, den schönsten Farben, bunten Bräuchen und aufregenden Tieren. „Ich versuche, die Seele eines Landes einzufangen“, sagt Fuchs. Was auf seinen Bildern grandios und naturgegeben wirkt, beansprucht ungeahnt viel Zeit und Geduld. Nicht selten steht das angemietete Wohnmobil tagelang auf ein und demselben Platz, man trotzt geduldig Regen, Wind und Stürmen, um auf diesen einen Augenblick zu warten, in dem sich der Himmel öffnet und sein schönstes Licht auf die Landschaft schickt. Wie das Bild aussehen soll, hat Fuchs schon vorher im Kopf. Auf ein Bild vom Milford-Sound in Neuseeland wartete er genau zehn trostlose Tage, in denen es ununterbrochen regnete, die Stimmung im Wohnmobil auf den Nullpunkt gesunken war, die Toilette voll, das Essen sich dem Ende neigte wie das Benzin für den Stromgenerator, die nächste Tankstelle war 350 Kilometer entfernt. Doch wie der Reisefotograf immer wieder betont: „Man muss das Unmögliche wollen, um das Mögliche möglich zu machen.“
Beliebte Destinationen. Ihre Lieblingsziele sind eher rauere Regionen wie Nordamerika, Kanada, Nordeuropa, Grönland oder Neuseeland. Genauso aber die Toskana, wohin die Familie Fuchs sage und schreibe 82 Mal gereist ist. Auch hierzu gibt es eine Anekdote: Als sich Roswitha am Fuß verletzte, hielt Wolfgang Fuchs einen Polizeiwagen auf. Der Polizist erkannte den Fotografen von dessen Bildband, den er auf dem Rücksitz liegen hatte. In der Toskana fand übrigens die kirchliche Trauung statt.
Offline. Als Botschafter einer heilen Welt sieht sich Fuchs mit seinen Bildern nicht. Dazu sorgt ihn die Zerstörung der Umwelt zu sehr. Nicht selten sammelt er erst einmal Müll auf, bevor er zu fotografieren beginnt. Bedenklich findet er auch den Instagram-Hype, wenn tausende motivsüchtige Hobbyfotografen die bekannten Foto-Hotspots dieser Welt bevölkern, ohne die Schönheit der Natur wahrzunehmen. Er selbst inhaliert beim Warten auf den richtigen Moment die Kulisse, um daheim, im stressigen Alltag, diese Bilder abzurufen, den Wind von Mauritius zu spüren oder den Lavendelduft in der Nase zu haben. Fuchs nimmt sich einmal pro Jahr Auszeit – ohne Handy, Kamera oder technische Ausrüstung fährt er in eine Selbstversorgerhütte. Dort meditiert er und tankt Energie. Reisen, wie es Familie Fuchs praktiziert, ist anstrengend, aber lehrreich. Und letztlich auch erfüllend. An die Stelle der glitzernden Konsumwelt ist etwas anderes getreten: Achtsamkeit sowie die Bereitschaft, das Leben anzunehmen, wie es kommt.
Vorträge: www.wolfgang-fuchs.at