People | 08.02.2019
Total verunsichert
Ein Sonntag Mitte Jänner im Komm-Zentrum Leitersdorf bei Feldbach. Bandprobe der EAV. Klaus Eberhartinger nestelt an seinem In-Ear-Kopfhörer und kommentiert dies mit einem beherzten „Kruzifix“, aus dem Aschenbecher neben Thomas Spitzer steigt ununterbrochen eine Rauchsäule auf. Ein Sticker mit dem Aufdruck „Revolution“ klebt am Ascher. Das ist noch nach über 40 Jahren ihr Credo, auch wenn Hits wie Märchenprinz oder Banküberfall den politischen Herzschlag der beiden Bandchefs Spitzer und Eberhartinger etwas übertönt haben. Im neuen Album „Alles ist erlaubt“ machte sich Mastermind Thomas Spitzer wie gewohnt seinen Reim auf gesellschaftliche Unpässlichkeiten und politische Unzulänglichkeiten. Im Grunde sei man von den Texten her jetzt wieder das, sagt Spitzer, womit man 1977 begonnen hatte: eine politische Band. Damals entstand das Anarcho-Projekt um die Studenten und Musiker Eik Breit, Nino Holm, Anders Stenmo und dem verstorbenen Walter Hammerl mit dem Ziel, Spaß haben zu wollen. Was auf Kleinkunstbühnen als buntes Rock-
theater begann, bei dem anfangs noch Wilfried und Gert Steinbäcker sangen, bevor Klaus Eberhartinger 1982 dazustieß, brachte anfangs zwar Bühnen-erfahrung, aber kein Geld. Das kam erst mit dem „Alpenrap“ im Jahr 1983, dem ersten Charterfolg in Österreich. Den Durchbruch brachte das fünfte Album „Geld oder Leben“, auf dem Hits wie Banküberfall, Fata Morgana oder der Märchenprinz waren.
"Statt tiefer
Liebe waren wir
eher aufeinander
angewiesen. Aber die
Basis stimmte immer."
- Klaus Eberhartinger
Im Kulturzentrum werden derweil alte Songtexte umgedichtet und heftig diskutiert, was nun lustiger ist. Eberhartinger springt auf, wirft Spitzer ein „Klärt’s das allein, ich hole mir einen Kaffee“ zu, um nach zehn Sekunden „Kompromiss, Kompromiss!“ rufend zurückzukommen. Die Beziehung der beiden hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt, statt der tiefen Liebe sei man öfter aufeinander angewiesen gewesen, sagt Eberhartinger lachend. Er sei seinem Kollegen dankbar, ihn damals als Sänger aufgenommen zu haben. Spitzer hingegen weiß zu schätzen, dass er in Eberhartinger genau den Mann gefunden hat, der seine Ideen umsetzen kann und konnte. Und der nicht zuletzt durch seinen Erfolg bei Dancing Stars der Band wieder zu neuen Höhenflügen verholfen hat. Letztlich seien sie aus gleichem Holz geschnitzt, betont Eberhartinger. Er, im Nachkriegs-Braunau („zum Glück mit einem super Geschichtslehrer“) sozialisiert, Spitzer in einem Grazer „Glasscherbenviertel“. „Die Basis hat so gesehen immer gestimmt“, sagt Eberhartinger.
Die aktuelle Tour, die am 3. Februar mit dem Auftaktkonzert in Fehring beginnt, zunächst nach Deutschland führt und mit einem letzten großen Gig am 14. September in der Wiener Stadthalle endet, soll auch wirklich die letzte sein. „Die Stones haben vor etwa 40 Jahren ihre erste Abschiedstournee angekündigt. Ich bin 66, wenn wir es ihnen gleichmachen wollten, ginge sich das zeitlich nicht mehr aus“, erklärt Spitzer. Eberhartinger zeigt sich zum EAV-Aus etwas melancholisch. „Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich Rückschau halte und mit etwas abschließe. Aber ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt.“ Pläne haben die beiden noch genug: Spitzer will sich stärker der Malerei und dem Zeichnen widmen, will beim Songwriting seine „romantische Ader“ zeigen und vermehrt mit jüngeren Musikern zusammenarbeiten. Sollten ihn jedoch „humoristische Songs überfluten“, kann er sich sehr wohl wieder vorstellen, auf der Bühne zu stehen; allerdings als EAV von früher. Eberhartinger möchte seine Beliebtheitswerte nutzen, um künftig weniger lustige Botschaften an die breite Bevölkerung zu bringen, etwa dokumentarisch die Schattenseiten der Welt zu zeigen, die er auch in seiner Wahlheimat Kenia immer wieder erlebt, wo er und Spitzer heute schon die meiste Zeit des Jahres verbringen. Mit dem Alter hadern beide, nach dem Rock ’n’ Roll seines Lebens befragt, antwortet Spitzer, der demnächst noch einmal Vater wird: „Bei mir hat sich die Werteskala ordentlich verschoben. Früher galt: je ungesünder man lebt, je mehr Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll, desto besser. Heute tut man gut daran, das Motto zu ändern, will man überleben.“