Lifestyle | 26.01.2023
Scheiden tut weh – vor allem Kindern
Verletzte Gefühle, Enttäuschung, Zukunftsangst … bei Scheidungen und Trennungen kochen die Emotionen oft über. Nicht selten werden Konflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Sie werden instrumentalisiert, sogar manipuliert, um dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin eines auszuwischen. Dass dies negative Folgen für das Kind bis ins Erwachsenenalter haben kann, ist vielen in diesem Moment nicht bewusst.
STEIRERIN: Frau Dr. Kolar-Syrmas, welche Folgen können Konflikte, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, auf diese haben?
Maria Christina Kolar-Syrmas: Die Reaktionen sind vielseitig. Kinder können depressiv werden, sich aggressiv anderen gegenüber verhalten oder sich selbst zu ritzen beginnen. Langfristig kann das sogar dazu führen, dass sie keine gesunden Liebesbeziehungen eingehen können. In den meisten Fällen ist es ja so, dass die Kinder beide Elternteile lieben. Warum sollten sie sich entscheiden müssen? Das ist einfach nicht okay.
Würde es Sinn machen, den Kindern zuliebe die Partnerschaft aufrechtzuerhalten?
Nein, es ist wenig sinnvoll, zusammenzubleiben, wenn man sich gegenseitig nicht mehr ausstehen kann. Kinder spüren die negativen Schwingungen. Das kann im schlimmsten Fall sogar zu einem völlig falschen Beziehungsbild führen, unter dem die Kinder dann ein Leben lang leiden.
Was wäre also der empfohlene Weg?
Man darf die Kinder auf keinen Fall instrumentalisieren. Die Paarebene und die Elternebene sollten strikt getrennt werden. Man sollte den Kindern gegenüber ehrlich sein, auf ihre Fragen antworten, sie aber nicht belasten oder als Ersatzpartner ansehen. Und vor allem nicht vor ihnen streiten. Organisationen wie Rainbows oder das Kinderschutzzentrum können da sehr hilfreich sein.

ls Juristin – welchen Tipp würden Sie geben?
Sich möglichst kultiviert auseinanderdividieren. Und wirklich drüber nachdenken, dass es im Leben zu Situationen kommen kann, wo man einen anderen Elternteil auch braucht. Im besten Fall hat man einen unbezahlten Babysitter, der das Kind liebt. Aber auch bei Problemen mit den Kindern, bei Krankheit oder im schlimmsten Fall, falls man stirbt, ist es gut, wenn wer da ist, der sich auch um das Kind liebevoll kümmert.
Wie hat sich das Thema Obsorge über die Jahre verändert?
Früher war meist klar, dass die Obsorge alleine ausgeübt wird – und das meist von der Mutter. Da gab es gar keine gemeinsame Obsorge. Die gibt es erst seit 2013 mit der Novelle des Kindschaftsrechts. Durch die Veränderung der Gesellschaft arbeiten Mütter mehr und die Väter bringen sich mehr in die Erziehung ein. Manchmal ist der einzige Unterschied zwischen den Elternteilen, dass der Vater nicht stillen kann.
Wie gefragt ist das Doppelresidenz-Modell?
Ab einer Aufteilung von 35 : 65 spricht man vom Doppelresidenz-Modell. Das war eine Zeit lang sehr in Mode. Jedoch muss dieses Modell auch lebbar sein. Hat einer der Elternteile einen Job im Management oder verbringt viel Zeit im Ausland, wird es eher schwer werden. Außerdem kommt es auf das Kind an. Nicht jedes Kind mag es, jede Woche sein Kofferchen zu packen und wieder woanders zu wohnen. Ein „First Home“ hat schon seine Vorteile.
Gibt es ein Lieblingsmodell?
Es kristallisiert sich heraus, dass der neue Klassiker ist: Hauptwohnsitz bei einem Elternteil und das Kind ist 14-tägig von Freitag bis Sonntag oder Montag sowie in den anderen Wochen mit einer Übernachtung unter der Woche beim anderen Elternteil.
Wenn ein neuer Partner oder eine neue Partnerin mit ins Spiel kommt, verhärtet das die Fronten oftmals zusätzlich. Wie sollte man damit umgehen?
Natürlich ist der Umgang mit dem neuen Partner oft nicht leicht, vor allem wenn es vielleicht auch mit ein Scheidungsgrund war. Da muss man empathisch sein und auch verstehen, dass es nicht gut ist, die neue Partnerin oder den neuen Partner überallhin mitzunehmen. Vor allem Männern fehlt diese Empathie oft. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Kinder gerne auch alleine Zeit mit dem jeweiligen Elternteil verbringen und ihn nicht immer mit der neuen Person an der Seite von Mama oder Papa teilen wollen.
Sie sind selbst geschieden und haben eine Tochter. Wie haben Sie das gehandhabt?
Meine Tochter war 9. Wir haben beide versucht, es für sie so leicht wie möglich in so einem Fall zu machen. Und sie hatte damals wie heute als Erwachsene eine wunderbare Beziehung zu beiden Elternteilen.
Zum Abschluss: einen Appell an unsere Leserinnen und Leser?
Weder leichtfertig heiraten noch leichtfertig Kinder bekommen. Kinder zu bekommen ist etwas Wunderschönes, aber auch oftmals belastend und fordernd. Das muss einem bewusst sein.
© Christian Jungwirth
"Die Kinder leiden nicht
primär unter der Trennung,
sondern unter dem
Konflikt der Eltern."
Maria Christina Kolar-Syrmas,
Scheidungsanwältin