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Lifestyle | 23.11.2022

Erotisch fesselnd

Shibari nennt sich die japanische Fesselkunst, die Erotik und ein klein wenig Meditation miteinander vereint.

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Die Fesselkünstlerin © @elenastrawberry

STEIRERIN: Was ist Shibari und was ist die Philosophie dahinter?
Elena Strawberry: Shibari ist eine japanische Fesselkunst, die früher bei den Samurai zur Entmobilisierung eingesetzt wurde. Davon splitterte sich das westliche Bondage ab. Der Unterschied liegt darin, dass es beim Bondage hauptsächlich um Fixierung geht, oft im sexuellen Kontext. Bei Shibari kommt eine emotionalere und ästhetischere Komponente hinzu. Ich bin der Meinung, dass jede Person Shibari so ausleben kann, wie sie es möchte – und das kann sehr unterschiedlich sein.

Seit wann praktizierst du diese Fesselkunst und was fasziniert dich daran?
2019 kam mir die Idee, nach Basel zu fliegen, um dort bei einem Rigger – die Person, die fesselt – Fotos von einer Shibari-­Session zu machen. Von Anfang an war es die Ästhetik, die mich angesprochen hat, und die Roh- und Echtheit der Gefühle. Die Person kann sich nicht verstecken, ist sich selbst ausgeliefert und spürt den Kern ihres Selbst. Ich glaube, besonders durch den Schmerz, der von Fesselung zu Fesselung stark variieren kann, bekommen Personen einen Zugang zu ihren Gefühlen. Das kann von Traurigkeit bis zu lautem Loslachen alles sein.

Du fotografierst deine Fesselkunst danach sinnlich-kunstvoll. Was möchtest du damit ausdrücken?
Mich spricht diese künstlerische Ästhetik an. Und ich genieße es, dass ich Shibari durch meine Bilder Personengruppen näherbringen kann, die abseits der BDSM-Szene zu finden sind. Meine Fotos zeigen meine kleine Traumwelt – was Shibari für mich ist.

Wo finden wir die japanische Kunst des erotischen Fesselns bei uns in Graz?
Unsere Community in Graz ist nicht groß. Das Interesse aber sehr groß. Deswegen würde ich gerne einen Safe Space für Interessierte in Graz schaffen und Workshops anbieten. In Wien gibt es bereits wöchentliche gut organisierte Fesseltreffen und Workshops. Aktuell absolviere ich eine Ausbildung zur Sexualpädagogin und kann mir gut vorstellen, diese Arbeit bald mit Shibari zu kombinieren.

Welche Techniken muss man bei Shibari unbedingt beherrschen?
Eine grundlegende Ahnung von Anatomie sollte vorhanden sein, insbesondere der Nervenbahnen, und der Hals sollte bestmöglich frei bleiben. Angefangen wird mit einem „Single Column Tie“, dem Anfangsknoten. Der Weg zu einer Suspension, also einer Fesselung in der Luft, ist ein langer Lern- und Übungsprozess, der nicht unterschätzt werden sollte. Es schaut zwar spektakulär aus, aber eine Bodenfesselung kann oft viel intensiver sein. Es ist also prinzipiell nicht notwendig, zu suspenden. Das Wichtigste ist das Sicheinlassen auf das Gegenüber und das Fühlen. Und das richtige Seil, das meistens aus Naturfasern wie Jute oder Hanf besteht.

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Die Grazerin Elena Strawberry vereint in der japanischen Fesselkunst „Shibari“ Erotik und künstlerische Ästhetik. © @elenastrawberry

Wo liegen dabei die Grenzen?
„Zustimmung“ ist ein unglaublich wichtiger Begriff. Das sollte er aber in allen Lebensbereichen sein. Wenn ein Part „Stopp“ sagt, dann muss das akzeptiert werden. Deswegen ist Vertrauen unabdingbar. Die Grenzen steckt sich jede Person selbst ab. Vor Shibari-Sessions rede ich ausführlich mit meinen Fesselpartnerinnen, in welcher Stimmung sie sind, was sie sich wünschen, ob körperliche Beschwerden vorhanden sind und was heute ein „No“ wäre.

Kann Shibari für Laien gefährlich werden, wenn sie sich die japanische Fesselkunst über Youtube selbst beibringen?
Geeignet ist Shibari für jede Person, die sich darauf einlassen will. Ich hatte das Privileg, viele Personen kennenzulernen, die wissen, was sie tun. Davon habe ich viel mitgenommen und gelernt. Natürlich gibt es auch hilfreiche Tutorials auf Youtube, diese sind jedoch für totale Anfänger ziemlich nutzlos. Bei Unwissenheit kann das sehr schnell gefährlich werden. Deswegen ist es immer klug, sich einer Community anzuschließen oder Workshops zu besuchen, um voneinander zu lernen.

Was steckt hinter dem Wunsch, sich selbst oder andere auf japanische Weise zu fesseln?
Als passiver Part ist es sicher das Loslassen. Ich brauche nichts zu entscheiden, einfach nur geschehen lassen und mich in die Situation reinfühlen. Ich fühle mich selbst und meine Außengrenzen und gerate ab und zu in einen Rausch. Als aktiver Part ist es das Führen, das Beobachten der Emotionen und das Auffangen und Halten nach einer Session. Die Nähe während einer Session ist ein ganz besonderes Gefühl für mich. Ich empfinde es immer als einen Tanz zweier Personen, die sich nahe sind. Außerdem sehe ich sofort eine Reaktion auf eine Aktion, die ich setze. Das genieße ich sehr.

Wohin kann ich in Graz gehen, wenn ich Shibari erfahren oder erlernen möchte?
Mich findet man auf Instagram unter @elenastrawberry. Gerne kann man sich mit mir über Shibari-Sessions austauschen. Ich leite gerne in der Community weiter.

Wie lässt sich die japanische Fesselkunst im Sexleben einbauen?
Es fällt in den Bereich „Bondage“. Grenzen verschwimmen hier miteinander. Das Fesseln ist zwar immer intim und nahe, muss jedoch nicht sexuell praktiziert werden. Es ist sinnlich, darf aber alles sein, was Personen gefällt und einvernehmlich geschieht. Bondage ist ein „In your Face“-Begriff, den Menschen ganz schnell in eine Schublade stecken.

Was würdest du Frauen raten, die dem gegenüber noch Berührungsängste haben?
Wenn Interesse besteht: einfach einmal ausprobieren! Es besteht auch die Möglichkeit, das an sich selbst zu probieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Ich werde übrigens Informationen posten, wenn ich offene Fesselrunden organisiere. Angedacht sind auch spezielle FLINTA*-Treffen.