Loading…
Du befindest dich hier: Home | Lifestyle

Lifestyle | 25.10.2022

Ich bin eine Heldin!

Wer Kopf und Herz trotz Risiko für Menschen in Minderheitsposition einsetzt, der zeigt Zivilcourage. Doch Vorsicht: Mut ist nicht gleich Mut!

Bild 2209_ST_Zivilcourage2.jpg
© Shutterstock

Sich zuständig fühlen hilft uns allen. Um ein friedliches Miteinander zu leben, sich sicher zu fühlen, Hilfestellung zu leisten und wiederum zu erhalten. Wer auch mal aufblickt und hinschaut, kann Zivilcourage zeigen. Jedoch immer, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Das ist die wahre Kunst der Alltagsheld:innen.
Zivilcourage fängt jedoch schon viel früher an, dann nämlich, sobald man selbst mit seinem Verhalten gegen den Strom schwimmt und aufschreit, wenn andere nicht gehört werden. Und auch, wenn das Einschreiten manchmal einen Nichterfolg nachzieht, so hilft schon das Gefühl, dass jemand sich für einen stark macht. Zivilcourage-Expertin Heidi Bassin vom Friedensbüro Graz über solidarisches Miteinander und wie man im Alltag richtig Zivilcourage zeigt:

STEIRERIN: Hat Zivilcourage mehr mit Kopf oder mit Körperkraft zu tun?
Heidi Bassin: Ich würde sagen, es hat was mit Kopf und Herz zu tun. Immerhin zeigt man dann Zivilcourage, wenn man sich trotz persönlichen Risikos für Menschen in einer Minderheitsposition einsetzt.

Wir kommen als solidarische Wesen zur Welt und dennoch zeigen wir uns im öffentlichen Raum als Einzelkämpfer. Warum?
Menschen orientieren sich immer an der Gruppe, auch im öffentlichen Raum. Wenn eine Person eingreift, ist die Chance hoch, dass auch andere Personen aktiv werden. Das Bild des Einzelkämpfers entsteht dann, wenn Personen passiv bleiben und andere dieses Verhalten spiegeln.

In welchen Situationen MUSS man einschreiten?
Wenn eine Person an Leib und Leben gefährdet ist, bedeutet das Nichteinschreiten unterlassene Hilfeleistung und ist somit strafbar. Für eine starke, solidarische Gesellschaft wäre es aber angebracht, schon viel früher Hilfe zu leisten – nämlich sobald man mitbekommt, dass jemand Hilfe braucht.

Zivilcourage ist auch Erziehungssache. Wie kann ich mein Kind für dieses Thema sensibilisieren?
Wie bei vielen anderen Verhaltensweisen auch, kommt bei der Zivilcourage der Vorbildwirkung von uns Erwachsenen eine immense Bedeutung zu. Leider erfüllen wir diese Rolle oft nicht zufriedenstellend. Mit Sätzen wie „Misch dich nicht ein“, „Das ist nicht dein Problem“ gewöhnen wir Kindern die Zivilcourage förmlich ab. Dabei kann man schon sehr junge Kinder dafür sensibilisieren, dass da jemand Hilfe braucht. Bei den kleineren Kindern bezeichnen wir die Zivilcourage als „große Schwester der Hilfsbereitschaft“. Wichtiger wäre es, immer wieder ganz bewusst hinzuschauen, vielleicht gemeinsam mit dem Kind zu überlegen, ob da jemand Hilfe braucht und wie diese ausschauen könnte.

Bild 2209_ST_Zivilcourage1.jpg
Heidi Bassin, Friedensbüro Graz. © Gimpel

Wie sieht gelungene Zivilcourage nun aus?
In manchen Situationen ist sofortige Zivilcourage gefragt, in anderen wiederum ist eine wohldurchdachte Aktion gegen länger andauernde Ungerechtigkeiten das Mittel der Wahl. Wie nun das konkrete zivilcouragierte Verhalten aussieht, hängt sehr von der jeweiligen Situation ab.

Wie zeige ich Zivilcourage, ohne mich dabei selbst in Gefahr zu bringen?
Zivilcourage ist eine mutige Angelegenheit, die durchaus auch mit Risiken verbunden ist. Die Arbeit mit jungen Menschen zu diesem Thema ist eine Gratwanderung, einerseits wollen wir sie motivieren, unbedingt aufzustehen, sich für das Richtige einzusetzen. Zugleich müssen wir sie warnen und sie darauf vorbereiten, dass Zivilcourage nicht bequem ist oder man sich sogar in Gefahr begibt. Letzteres sollte man unbedingt zu verhindern versuchen, Zivilcourage muss keine Heldentat sein. Oft können selbst Kleinigkeiten viel bewirken. Auch Hilfe holen ist Zivilcourage!

Wie sieht Zivilcourage bei Mobbing in Schulen aus?
Wir ermutigen in unseren Mobbing-­Prävention-Workshops („Es war ja eh nur Spaß!“) Schüler:innen rund um die Täter- und Opferperson, aktiv zu werden. Ein erster Schritt ist dabei, einmal hinzuschauen und in weiterer Folge auch einzugreifen. Letzteres kann viele Formen annehmen, etwa das Opfer aus der Situation nehmen, laut verkünden, dass das gerade gar nicht cool ist, Hilfe holen, Umstehende um Unterstützung bitten …

Wie lässt sich Zivilcourage trainieren?
Üben und ausprobieren; Situationen, in denen Zivilcourage gefragt wäre, durchspielen, verschiedene Lösungen ausprobieren; den Anspruch an sich selbst nicht unerreichbar hoch stellen – es kann passieren, dass es nicht funktioniert; Szenarien durchdenken, in denen man selbst nicht ausreicht oder sich selbst die Hilfe­leistung nicht zutraut – wie aktiviere ich Hilfe? Und natürlich viel darüber reden und reflektieren.