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Lifestyle | 19.10.2022

Warum hetzen wir gegen andere?

Wie Hass und Hetze entstehen und warum es Täter:innen in allen Gesellschaftsschichten gibt.

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© Shutterstock

Man muss nicht handgreiflich werden, um zu verletzen: Auch Worte können strafbar machen. Susanne J. Pekler ist Leiterin der Organisation Neustart Steiermark, einer Initiative des Bundesministeriums für Justiz, für Inneres und der Polizei. Diese beschäftigt sich sowohl mit Täter:innen als auch Opfern, die von Kriminalität betroffen sind. Die verschiedenen Programme drehen sich um Bewährungshilfe, Gewaltprävention, Konfliktlösungen und Prozessbegleitung. Das Projekt „Dialog statt Hass“ beschäftigt sich mit einer Problematik, die besonders online stetig zunimmt.

STEIRERIN: Frau Pekler, wer sind Täter:innen von Hass und Hetze?
Sabine J. Pekler: Da gibt es die Gruppe der Systemverlierer. Das sind Menschen, die einsam sind, keine großen finanziellen Absicherungen haben und durch das Gefühl, nicht an der Gesellschaft teilnehmen zu können oder benachteiligt zu sein, frustriert sind. Sie glauben, anderen Gruppen wird mehr geholfen als ihnen oder ihnen geht es schlecht, weil andere Gruppen mehr Unterstützung bekommen – das Paradebeispiel ist die Flüchtlingsthematik. Die zweite, eigentlich sogar größere Gruppe sind Menschen, die gute Berufe haben oder hatten, sich als wertvolles Mitglied der Gesellschaft sehen und das Gefühl haben, das System und der Staat, wie sie es gewohnt sind, sind bedroht.

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Susanne J. Pekler, Leiterin der Organisation Neustart Steiermark. © Renate Trummer

Wie entsteht Hetze?
Desinformation ist ein wichtiges Thema sowie mangelnde Medienkompetenz. Aufhetzung entsteht, weil Menschen nicht erkennen, was seriöse Medien sind und was nur zusammengereimte Meinungen. Sie teilen eine unseriöse Quelle mit dem eigenen Unmut und hetzen so zu Straftaten auf. Wir arbeiten hier an der Diskurskompetenz: Wie kann man seine Meinung artikulieren und am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen, ohne Falschmeldungen zu verbreiten, aufzuhetzen oder sich strafbar zu machen?

Kann man Täter:innen am Bildungsniveau oder Geschlecht festlegen?
Nicht eindeutig, nein. Je nach Delikt ist die Verteilung von Alter, Geschlecht und Hintergrund ganz unterschiedlich. Grundsätzlich ist das Bild, dass Gewalt­kriminalität eher männlich ist, richtig. Hier sprechen wir von über 90 %. Verhetzung ist atypisch zur Gewaltkriminalität. Hier sind auch viele Akademiker:innen und hochgebildete Menschen Täter:innen, über ein Viertel Frauen und viel mehr ältere Menschen.

Wieso hetzen so viele Jugendliche, die sich noch gar nicht im gesellschaftlichen System einordnen müssen, gegen andere?
Oft startet es mit fehlgeleitetem schwarzem Humor: Wie Mobbing beginnt es häufig auf der vermeintlichen Scherzlinie – wer ist noch cooler, wer traut sich, noch frecher zu reden. Der Gruppendruck ist viel stärker, deswegen arbeiten wir auch in Gruppentrainings. Wenn in einer Jugendgruppe gegen Menschen mit Behinderung eine Person erzählt, die selbst körperlich beeinträchtigt ist, ist das für die Jugendlichen fast nicht erträglich. Sie denken noch nicht darüber nach, was sie mit ihren Worten auslösen. Das ist dann immer hochpeinlich.