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Lifestyle | 23.09.2022

Podcast der Emotionen

Andrea Domenig beleuchtet die vielen Aspekte von Mobbing in ihrem informativen wie emotionalen Podcast „Mobbing ist kein Kavaliersdelikt“. Mit uns hat sie über Erfahrungen, Eindrücke und Erkenntnisse gesprochen.

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© Shutterstock

Was Mobbing und speziell Cybermobbing bei Betroffenen auslösen kann, wird immer wieder auf schockierende Weise vor Augen geführt – kürzlich erst am Beispiel von Dr. Lisa Kellermayr, der via Mails aufs Grausamste bedrohten Ärztin in Oberösterreich. Viele der Konsequenzen von Mobbing bleiben allerdings im Alltag unsichtbar. Das Leid der Betroffenen wird dadurch keineswegs geschmälert – es ist nur nicht so laut.

Seit 20 Jahren arbeitet Andrea Domenig im Personalbereich und hat dementsprechend viel Erfahrung mit verschiedensten Persönlichkeiten und Charakteren. Sie ist froh, dass sie in ihrem Berufsleben noch keine Berührungspunkte mit Mobbing hatte, denn sie hatte selbst Mobbingerfahrungen in der Schule machen müssen. Aus Erzählungen weiß sie aber wie Mitarbeiter:innen systematisch drangsaliert wurden. Das ziehe sich durch alle Abteilungen und Hierarchie-Ebenen, von der Reinigungskraft bis zu den Vorgesetzten. „Mobbing am Arbeitsplatz wird nur von wenigen so benannt, vor allem nicht von den Betroffenen“, sagt Andrea. „Das Wort wird oft vermieden, weil es noch immer schambehaftet ist – im Sinne von ,Mit mir stimmt etwas nicht‘.“ Im Jahr 2020 entschloss sie sich dazu, einen großen Schritt in Richtung Aufklärungsarbeit zu machen und die tiefgehende Problematik und die (Langzeit-)Folgen von Mobbing zu offenbaren. Zuerst gründete sie den „Lebenswege“-Podcast, der die individuellen Biografien von diversen Personen beleuchtet, ein paar Monate später entstand dann die Idee zum „Mobbing ist kein Kavaliersdelikt“-Podcast. Beide Formate betreut sie seitdem in ihrer Freizeit und unentgeltlich.

Gäste im Podcast gegen Mobbing waren bisher selbst Betroffene sowie Expert*innen in den Bereichen Recht, Ernährung, Schule, Coaching, Psychologie und Prävention sowie Menschen, die sich – privat und beruflich – aktiv gegen Diskriminierung in all ihren Facetten einsetzen. „Ich habe beispielsweise mit einer Diätologin über ,Fatshaming‘ gesprochen – das umfasst übergriffige und unangebrachte Bemerkungen gegenüber Mehrgewichtigen, die hart traumatisieren können“, erzählt sie. Ein diskriminierendes Erlebnis, das vielen tagtäglich widerfahre und das andere gar nicht am Schirm haben. Die Gespräche und die behandelten Bereiche seien manchmal belastend, aber immer interessant, weil die Themen so nah an der Lebensrealität so vieler Menschen liegen. „Ich habe bereits so viel dazugelernt: über Langzeitfolgen für die Psyche, das Thema Selbstwert und Selbstbild und die Art und Weise vieler Menschen, Mobbing zu verharmlosen“, schildert die Podcasterin.

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Podcasterin Andrea Domenig. © Foto Schuster/www.fotoschuster.at

Aufklärung wichtig!

Als Mobbing-Expertin bezeichnet sich Andrea jedoch nicht, durch ihre Erfahrungen und vielen Interviews hat sie aber schon einen umfassenden Einblick in das Thema erhalten. Deswegen weiß sie, wie wichtig es ist, in einem derart stigmatisierten Bereich aktiv Aufklärung zu betreiben und aufzuzeigen, wie viele verletzende Aspekte der Begriff „Mobbing“ eigentlich enthalten kann. Mittlerweile habe sich die Art und Weise, wie gemobbt wird, durchaus verändert – viel hat sich auch auf Social Media verlagert. „Die Dynamik ist dieselbe wie in der Schule, sie äußert sich nur anders. Öffentliches virtuelles ‚Outcallen‘, das Weiterschicken von Screenshots und das methodische Ausschließen von Personen in verschiedenen Bereichen.“ Ein großes Problem sei dabei auch die immerwährende Erreichbarkeit durch das Smartphone. „Früher konnte man wenigstens nach Hause gehen und das Thema hinter sich lassen – heute geht das nicht mehr. Das Smartphone wegzunehmen bringt dabei nichts, ist ja immerhin Teil der alltäglichen Lebenswelt.“

Was wirklich dabei helfe, bewusst gegen Mobbing vorzu­gehen?

„Die Schuld nicht mehr bei den Betroffenen zu suchen, wäre einmal ein Anfang“, betont Andrea. „Es gibt schon gute Initiativen – zum Beispiel an Schulen –, die von Externen durchgeführt werden.“ Auf diesem Weg könne ein objektiver, neutraler Zugang zum Thema gewahrt bleiben, „weil die Externen nicht  direkt im System sind – wie bei einer Mediation. Wichtig ist es zu wissen: Du kannst etwas ändern an deiner Situation, auch wenn du dich ausgeschlossen fühlst – du musst das nicht aushalten. Hilfe anzunehmen fällt oft schwer, aber die Anlaufstellen sind da und es gibt Menschen, die dir zuhören und dich verstehen. Du bist nicht allein.“ Für die Zukunft wünscht sie sich noch viele weitere spannende Gespräche und tolle Bekanntschaften – vielleicht auch einmal mit einem Täter oder einer Täterin – und vor allem: immer mehr Sichtbarkeit für stigmatisierte Themen wie Mobbing oder psychische Erkrankungen.