Lifestyle | 26.08.2022
Quo vadis, plastische Chirurgie?

Der Wunsch nach Schönheit ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon in der Antike regte das Thema die großen Philosophen zum Nachdenken an. So meinte zum Beispiel Platon (427 – um 348 v. Chr.): „Schönheit ist ästhetisch, praktisch und nützlich.“ Aber was nun wirklich für den Einzelnen schön ist, lag wahrscheinlich damals wie heute im Auge des Betrachters. Sicherlich dramatisch gestiegen im Vergleich zu früher ist der Druck, das perfekte Äußere zu erlangen. Social Media, Filter und Photoshop, aber auch veränderte Sichtweisen aufgrund der Pandemie und das Tragen von Masken tragen ihren Teil dazu bei. Das bestätigt auch der renommierte Grazer Chirurg Franz Maria Haas, Leiter des Zentrums für Plastische Chirurgie an der Privatklinik Graz-Ragnitz. „Gerade in der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie wird man immer öfter mit Vorstellungen aufgesucht, die der Realität entbehren. Das verwundert mich auch nicht, wenn man ständig nur mit perfekt retuschierten Gesichtern und Körpern in Werbung, Fernsehen und Internet konfrontiert wird. Der Druck und die Verunsicherung sind dabei vor allem bei jungen Menschen hoch.“
Achtung vor Chirurgie-Tourismus
Mit dem vermehrten Wunsch nach Schönheitsoperationen steigt auch der Chirurgie-Tourismus in Länder wie etwa Türkei oder Tschechien. Davon rät Haas, der seit zehn Jahren auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Plastische Chirurgie und Handchirurgie tätig ist, ab. „Man sollte dabei gleich mehrere Dinge bedenken. Oftmals finden die Eingriffe ambulant oder kurz stationär statt. Wer ist – wieder daheim angekommen – da, falls es zu Fragen oder Komplikationen kommen sollte? Das Fehlen der unmittelbaren Betreuung sehe ich als großen Nachteil an. Denn letztlich ist die direkte Kommunikation ein zentraler Bestandteil der Behandlung.“ Falls es dann wirklich zu Problemen kommen sollte, entsteht oftmals ein Rechtsproblem. „Das heißt, dass man nach dem Recht des jeweiligen Landes beurteilt wird und nicht nach österreichischem.“ Und drittens spart man sich unterm Strich, wenn man Reisekosten und Co. mit einrechnet, nicht so viel Geld, wie man sich anfangs oft erhofft.
Arbeit im High-Risk-Bereich
Der Druck ist aber auch auf der Seite der Chirurg:innen spürbar. „Viele verbinden die Ästhetisch-Plastische Chirurgie rein mit Schönheit und Reichtum. In Wirklichkeit ist es – so schön die Arbeit auch ist – vielmehr so, dass wir in einem High-Risk-Bereich arbeiten. Wir führen Eingriffe ohne medizinische Indikation durch.“ Der Aufklärungsstandard ist dabei wesentlich höher als bei medizinisch indizierten Eingriffen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Vorstellungen der Patient:innen mit dem Machbaren übereinstimmen und der chirurgischen Erfahrung entsprechen. „Geld ist dabei bestimmt nicht das Wichtigste. Ich lehne Operationen auch ab. Mein Credo ist, nur Dinge zu machen, die meinem Perfektionismus entsprechen und das auf hohem internationalen Niveau.“ Jüngere Kolleg:innen sind diesbezüglich aber sicher mehr unter Druck. „Man sollte trotzdem demütig bleiben und sich auf das konzentrieren, für das man ausgebildet ist. Learning by Doing hat in der ästhetischen Medizin keinen Platz.“
Schöne Zukunft
Die Möglichkeiten der Ästhetischen Chirurgie haben sich vor allem durch den technischen Fortschritt verändert. „Man muss stets mit der Zeit gehen. Für mich selbst stand die Weiterentwicklung ästhetisch-chirurgischer Techniken unter besonderer Berücksichtigung der Brustchirurgie und Implantat-Technologie immer im Mittelpunkt.“ So beschäftigt sich Haas bereits seit über 15 Jahren mit dem breiten Einsatzspektrum von Eigenfett und gilt damit als Vorreiter revolutionärer Eingriffe mit körpereigenem Gewebe. Das Potenzial sieht er aber noch nicht als ausgeschöpft. „Gerade der steigende Einsatz von Robotik in der Chirurgie und die innovativen Möglichkeiten durch Stammzellenforschung werden auch in der Plastischen Chirurgie wieder für neue Standards sorgen.“
Chirurg Franz Maria Haas
Der Grazer Chirurg blickt auf 30 Jahre Erfahrung im Bereich der Plastischen Chirurgie zurück – 20 Jahre davon an der Uni-Klinik Graz. Wichtige Meilensteine waren u. a. die Tätigkeit als Oberarzt an der KF-Uni Graz, die Habilitation mit Erlangung der Lehrbefugnis für Plastische Chirurgie 2004, seit 2012 die Arbeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Plastische Chirurgie und Handchirurgie sowie die Konsiliartätigkeit am UKH Graz. Seit 10 Jahren leitet Haas nun bereits das Zentrum für Plastische Chirurgie an der Privatklinik Graz-Ragnitz.