Lifestyle | 05.01.2021
Liebe macht Familie, nicht DNA
Die Begriffe „Pflegefamilie“ oder „Pflegekinder“ sind weitgehend bekannt, das Prozedere dahinter nicht. Uli Reimerth arbeitet in der Position der Geschäftsführung für die gemeinnützige Betriebsgesellschaft Affido, die unter den beiden Flaggschiffen „Pflegeelternverein Steiermark“ und „Gesellschaft für steirische Kinderdörfer“ segelt. Aufgabe der Organisation ist die Betreuung von Kindern in Pflegefamilien, Kinderdörfern sowie Familienarbeit.
Was für Arten von Pflegefamilien gibt es?
Es gilt, zwischen Dauerpflegeeltern, deren Pflegekinder dauerhaft bei ihnen großwerden sollen, und FamilienpädagogInnen/Krisenpflegefamilien, die Kinder bis zu maximal 6 Monate aufnehmen, zu unterscheiden. Letzteres gilt meist für Fälle, in denen erst noch eine Situation in der Herkunftsfamilie zu klären ist. Diese nehmen von heute auf morgen Kinder auf, wenn SozialarbeiterInnen des Jugendamtes beispielsweise meinen, dass eventuell Gefahr im Verzug ist.
Wie läuft der Prozess der Aufnahme eines Pflegekindes in Dauerpflegefamilien ab?
Der Situation des Kindes entsprechend werden zunächst entweder passende kinderlose Pflegeltern oder Familien, die noch ein Kind aufnehmen können, ausgesucht. Beim „Matching“ muss sichergestellt werden, dass die Familie gut zum Kind passt – die Bedürfnisse des Kindes liegen im Vordergrund. SozialarbeiterInnen und Fachkräfte von Affido führen dabei erst Vorgespräche, bevor es zum tatsächlichen Kennenlernen kommt. „Neu“ und wichtig ist jedenfalls, dass Pflegeeltern inzwischen ein Eignungsverfahren durchlaufen müssen, zu dem nicht nur Gespräche, sondern auch eine Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen von 42 Stunden gehören.
Die Sorge vieler potenzieller dauerhafter Pflegeeltern: Kommt es manchmal zu Rückführungen?
Sehr selten – wenn, dann hat sich was in der Situation der leiblichen Eltern geändert. Dann muss das Gericht noch entscheiden, ob eine Rückführung denkbar ist. Oder die beeinflussenden Erlebnisse der Kinder aus der Vergangenheit kommen zu stark zum Tragen. In der Steiermark kommt es allerdings selten dazu.
Wieso genau in der Steiermark?
Im Österreichvergleich ist sie bestens aufgestellt. Ca. 50 Prozent der Kinder, die nicht bei ihrer leiblichen Familie leben, leben in Pflegefamilien. Wir haben mehr als 400 Dauerpflegefamilien und mehr als 100 FamilienpädagogInnen. Durch uns werden rund 800 Kinder betreut. Das hat sicher damit zu tun, dass es diese Pflegekinderstrukturen hier schon lange gibt und es viele Entwicklungen gegeben hat wie die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern seit 2012. Wir wollen, dass jede steirische Dauerpflegefamilie Beratungsstunden bekommt – für den Umgang mit der Vorgeschichte der Kinder, Besuchskontakte, Kooperation mit der Behörde, Reflexion, oder auch ganz allgemein die Ausbildung der Pflegekinder.
www.affido.at
© Foto Furgler
Uli Reimerth
Geschäftsführung Affido