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Fashion | 02.02.2021

Alt ist das neue Neu

Wem Nachhaltigkeit kein Fremdwort ist, der greift zu Fashion ohne schlechtes Gewissen. STEIRERIN-AWARDS-Gewinnerin Clarissa Kober erzählt, wie Secondhand die Modebranche revolutioniert.

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© Thomas Luef

Als Clarissa Kober, Diana Ranegger und Johanna Kohlenberger das beliebte Grazer Vintage-Label „Dogdays of Summer“ gründen, sind sie erst 19 Jahre alt. Alle drei stehen von Kindheit an stark mit Secondhand in Berührung und haben eine wahre Leidenschaft für Vintage-Mode entwickelt – speziell für den Individualitätsgedanken hinter einem ganz persönlichen, nicht kopierbaren Style. Dass Vintage damals in Graz noch nicht angekommen war, haben sie mit dem Online-versand dogdaysofsummer.at und dem nachhaltigen Instagram--Auftritt gemeinsam geändert. Seit Ende 2018 hat das Trio einen großen Shop in der Volksgartenstraße 4–6 und verschifft seine Modeunikate heute in die ganze Welt. Für das eigene Independent-Label werden Secondhand-Basics umweltfreundlich bedruckt und bestickt, mit dem eigenen Magazin wird der Aufruf zum Weiterdenken und zur Veränderung über Style hinaus verbreitet. Wie man Nachhaltigkeitsthemen in unsere Köpfe bekommt, warum neu nicht immer gleich besser ist und wie ein Fashionshop ein ganzes Mindset verkörpern kann, erzählt Award-Gewinnerin Clarissa Kober im Interview.

Warum ist Secondhandmode nachhaltiger, wenn sie ja trotzdem mal Fast Fashion war?
Immer wenn du ein Kleidungsstück neu kaufst, werden dafür Ressourcen aufgewendet. Wenn du ein Kleidungsstück aus einem Secondhandshop kaufst, sparst du sozusagen die Energie, die für das neue Stück aufgebracht worden wäre. Dazu kommt noch der Aspekt, dass du damit keine Kinderarbeit oder schlechte Arbeitsbedingungen unterstützt und meistens eher in lokalen Geschäften einkaufst.

Kann man dann so viel Vintage kaufen, wie man will?
Auch wenn man nachhaltige Produkte wählt, sollte man trotzdem immer bewusst einkaufen. Wenn du 10 Sachen kaufst, die zwar nachhaltig sind, die du aber eigentlich nicht anziehst, konsumierst du nicht reflektiert. Das Ziel wäre, dass alle Menschen generell weniger Kleidung besitzen, aber dafür Stücke, die sie wirklich tragen, die qualitativ hochwertig sind und eine lange Lebensdauer haben.

Wie stylt man sich dann am besten nachhaltig?
Im Nachhaltigkeitsgedanken ist es ganz wichtig zu wissen, welche Farben, Materialien, Schnitte du magst und dir stehen. So kannst du viel bewusster einkaufen und beugst Impulsivkäufen vor. Ein Tipp: Fotografiere täglich deine Outfits. So reflektierst du, was du wirklich anziehst und wie du kombinierst, und sortierst leichter aus, was du nicht brauchst. Wenn du wieder mal „nichts zum Anziehen“ hast, schaust du dir die Fotos an.

Als ihr mit Dogdays of Summer gestartet habt, war Vintage noch nicht aktuell. Hat es gedauert, bis ihr angenommen wurdet?
Bevor wir den Onlineshop eröffneten, hatten wir schon ein halbes Jahr lang Instagram intensiv bespielt. Dadurch kannten uns auch schon viele Leute. Viele waren der Ansicht, dass Secondhand automatisch schlechter ist. Das ist überhaupt nicht der Fall: Wenn du ein hochwertiges Stück hast, verliert es nicht an Qualität, wenn es schon getragen wurde. Ich finde es richtig cool, dass die Kleidungsstücke Geschichte haben: vielleicht hatte ja jemand sein erstes Date darin. Früher wurde oft auch qualitativ viel hochwertiger produziert, bessere Materialien verwendet, ordentlich vernäht. Deswegen ist es eigentlich auch besser, etwas Altes zu kaufen.

 

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© Thomas Luef

Jetzt, wo es mehr Konkurrenz gibt – hat das Auswirkungen für euch?
Es gibt mehr Mitbewerb, aber so wird das Bewusstsein viel stärker. Jeder neue Laden erreicht wieder neue Leute, die vielleicht das erste Mal mit Secondhand in Kontakt kommen. So wird die Message weiterverbreitet und man selbst erreicht auch eine größere Zielgruppe. Dass sich der Modemarkt langsam auf Secondhand umstellt, ist eine positive Entwicklung.

Geht ihr trotz Secondhand auch mit dem Trend?
Auf jeden Fall! Alles, was irgendwann mal im Trend war, kommt wieder in Mode. Mode wird selten neu erfunden, sondern meist neu interpretiert: Du kannst heute Sachen, die in den 2000ern modern waren, neu kombinieren. Gerade sind schwarze Ledermäntel modern, die hat es in den 1990ern auch schon gegeben. Dicke Flanell-, Puffer- und Daunenjacken, teilweise in Crop-Schnitten, haben wir ganz viele. Winterklassiker wie Pullis in allen Ausführungen sind immer super cool. Wir schauen auf Trends und stellen unser Sortiment darauf ein, um auch Leuten, die mit dem Trend gehen wollen, die Möglichkeit zu geben, das nachhaltig zu machen.

Ihr verkörpert mit eurem Onlineauftritt weniger Shop als vielmehr Lebensgefühl.
Wir haben den Laden nicht aus dem Grund heraus gegründet, Geld zu machen, sondern weil wir verwirklichen wollten, was uns wichtig ist. Es ist schön, damit Leute zu erreichen und zum Nachdenken zu bringen. Für uns ist Mode der erste Kontaktpunkt, über Instagram gehen wir auch mit Themen wie Mikroplastik weiter. Es ist uns wichtig, eine Community mit unseren Werten aufzubauen und kein reines Verkaufsding zu machen. Wenn dann zurückkommt „Heute habe ich mir zum ersten Mal was Veganes gekocht“, ist es schön, was zu bewegen.

Wie schaut für dich die modische Zukunft aus?
Durch Corona sind einige Labels ins Umdenken gekommen und zeigen mehr saisonlose Mode, weil viele auf ihren trendaktuellen Kollektionen sitzen geblieben sind. Ich hoffe, dass jetzt mehr große Labels auf Qualität und zeitlose Stücke setzen. Secondhand ist auch ein Riesenthema. Ich glaube, man kann die Modebranche auf eine Weise lösen, sodass Mensch und Natur nicht daran zugrunde gehen.

Welche Mode bietet ihr an?
Wir haben ein Augenmerk auf hochwertige Materialien, die lange halten, und coole Schnitte, die man nicht überall findet, auf eine gute Auswahl an Basics und Trendstücken. Die Sachen kaufen wir bei Flohmärkten, Hausräumungen, Privatpersonen. Alles wird handselektiert, durchgewaschen, auf Fehler untersucht und repariert oder reduziert. Dadurch ist die Qualität sehr hoch, weil wir nur Stücke verkaufen, die wir auch als gut vertreten können. Viele Leute glauben, dass Secondhandmode schmuddelig ist und schlecht riecht. Um sie gesellschaftsfähiger zu machen, bereiten wir die Kleidung ordentlich auf. Damit Leute sagen, he, das ist eigentlich wie neu, aber cooler für Umwelt und Menschen. Dann nehme ich doch das.