Fashion | 20.11.2020
Zurück zu den Wurzeln
Fotos Lupi Spuma, Wolfgang Pohn, Lena Hoschek
STEIRERIN: Wie würdest du selbst deine neue Kollektion „Artisan Partisan“ beschreiben?
Lena Hoschek: Artisan Partisan ist eine Kollektion, die sehr viele ethnische Einflüsse miteinander vereint. Ich bin in meiner Recherche zur Kollektion regelrecht auf eine Weltreise gegangen und wollte das Schönste aus unterschiedlichsten Kulturen zusammentragen.
Was hat dich dazu inspiriert?
Man könnte fast sagen, dass mich die ganze Welt inspiriert hat. Die Kollektion besteht aus so vielen verschiedenen Einflüssen aus unterschiedlichen Kulturen. Wir haben handgewebte pakistanische Ikat-Seiden, persische Granatapfelmuster, moldawische Rosenkelims und zahlreiche orientalische Teppichmuster und Paisleys zu einem Bohemian-Mix aus Folklore und artesanalen Materialien verarbeitet.
Spielt das anstehende Jubiläum im November dabei auch eine Rolle?
Da wir im November dieses Jahres unser 15-jähriges Bestehen feiern, habe ich mich mit der Artisan-Partisan-Kollektion auch bewusst stark auf meine Wurzeln besonnen. Die Kollektion verkörpert all das, wofür die Marke seit Anbeginn steht und woran ich, mein Team und unsere Kunden fest glauben: den Erhalt von Schneiderhandwerk, das Überleben der alten Textilindustrie Europas und die Verehrung der weiblichen Silhouette.
Gibt es ein persönliches Lieblingsteil aus deiner Kollektion?
Ich habe sogar mehrere Lieblingsstücke in der Kollektion –allen voran die neuen Bänderröcke. In Artisan Partisan finden sich unzählige Bänder, nicht zuletzt, um unseren Bänderrock zu ehren, der das erste Kleidungsstück war, das damals in Graz über die Ladentheke ging. Erstmals gibt es in der aktuellen Kollektion auch längere Varianten – die Opulence Ribbon Skirts und Volant Ribbon Skirts. Ein weiteres Stück, dass ich liebe, ist das Vanderbilt Dress – ein tolles Patchwork Kleid, das kombiniert mit lässigen Boots und Lederjacke ein tolles Alltagskleid ist. Wenn es festlicher sein soll, ist das Treasure Dress aus italienischer Krawattenseide mit wunderschönem Paisleymuster ein weiteres Lieblingskleid der Kollektion.
Inwiefern beeinflusst Covid-19 aktuell dein Business und wie reagierst du darauf?
Anfangs – für circa zwei Wochen – war ich in einer Art Schockstarre. Es war dann natürlich nicht so leicht, die Mitarbeiter durch die Kurzarbeit durchzumanövrieren, ich habe aber einen tollen neuen Kaufmännischen Leiter an meiner Seite, der das super gemanagt und mich unterstützt hat und wir haben bis heute niemanden kündigen müssen, was mir sehr wichtig war. Vor allem auch dank unserem tollen Teamzusammenhalt haben wir die Krise bis jetzt wirklich gut gemeistert – auch aufgrund unseres Onlineshops. Ich bin da wirklich sehr glücklich und dankbar, dass wir uns auf unsere Kundinnen immer verlassen können. Direkt nach der intensiven und auch angsterfüllten Zeit ist mein Kampfgeist aber doppelt so stark geworden. Wir haben vieles umstrukturiert, um auch ohne Messen und Fashion Weeks eine tolle Außenwirkung zu erzielen und auch unsere neue Kollektion auf den Markt zu bringen.
Kann die Modeindustrie vielleicht auch etwas Positives aus der Krise mitnehmen?
Wir merken ganz, ganz stark, dass viele Einkäufer jetzt mehr auf nachhaltige Mode setzen. Das ist sicher für eine Firma wie unsere, die seit 15 Jahren schon die Werte vertritt, von denen heute jeder in der Werbung spricht, besonders toll.
Die Themen Regionalität und Nachhaltigkeit waren dir schon immer sehr wichtig. Siehst du die Themen durch Corona noch einmal bestätigt?
Ja, auf jeden Fall. Die Themen sind ja aktuell sowieso in aller Munde. Vor allem das Thema Regionalität hat sich sehr verstärkt, seitdem die Reisefreiheit extrem eingeschränkt wurde. Jetzt kann man endlich auch mal entdecken, wie schön es vor der Haustüre ist. Sonst kommt man ja gar nicht auf die Idee, irgendwo in der Heimat Urlaub zu machen, eher schweift man in die Ferne. Wir haben den ganzen Sommer am Land verbracht und waren so viel entspannter und konnten unsere Batterien so viel besser aufladen, als wenn wir eine weite Reise gemacht hätten, die wiederum mit so viel Reisestress verbunden gewesen wäre. Man muss aber dazusagen, dass mein Lieblingsurlaubsland immer schon die Steiermark war.
Wie waren die letzten Monate für dich persönlich?
Am Anfang habe ich doch ein Tief erlebt – ich war ja im 9. Monat schwanger zum Lockdown. Die Krankheit an sich hat mich nicht so sehr beängstigt, aber die generelle allgegenwärtige Massenpanik hat mich sicher auch in einem Strudel hinuntergezogen. Die Hormone haben dann das Übrige dazu beigetragen. Dann kamen die Schließungen der Geschäfte. Aber wenn man einmal in so einem Loch drinnen ist, dann geht’s auch wieder bergauf und das ganze Weltbild ändert sich danach und man wird wieder viel positiver.
Du bist seit Kurzem Zweifach-Mama. Wie managt du die Balance zwischen Job und Familie?
Die Balance gibt’s nicht (lacht). Eine Balance ist aktuell tatsächlich wahnsinnig schwer hinzukriegen. Mittlerweile, vor allem jetzt mit dem zweiten Kind. Ich habe einen Sohn, ich habe eine Tochter und ich bin wahnsinnig glücklich, dass ich keinen unerfüllten Kinderwunsch habe. Dadurch bin ich schon viel entspannter.
Dank meinem tollen Team bin ich mittlerweile auch viel entspannter, wenn ich mal nicht zur Arbeit gehe. Das hat sich auch sehr geändert in den letzten drei Jahren, da die Firma auch schon recht oft ohne mich auskommen musste – wenn der Kindergarten zu ist oder mein Mann keine Zeit hat. Es ist für mich wirklich sehr schwierig, auch mal von der Firma fernzubleiben, aber slowly, slowly funktioniert das.
Direkt nach der
intensiven und auch
angsterfüllten Zeit ist
mein Kampfgeist doppelt
so stark geworden.
– Lena Hoschek, Modedesignerin
Interessiert sich dein dreijähriger Sohn Johann schon für Modefragen?
Gestern sagt er zu mir: „Mama, du hast braune Nägel wie Schokolade“, und dann wollte er sie kosten (lacht). Er hat sicher ein bisschen einen anderen Kleiderschrank als die meisten anderen Kinder, aber er freut sich immer irrsinnig, wenn er ein neues Kleidungsstück kriegt. Wenn ich ihm was von unserem Geschäft Bunny Bogart mitnehme, dann versuche ich, es nicht als Geschenk zu präsentieren, denn er kriegt durch die vielen Verwandten und Bekannten ohnehin meiner Meinung nach viel zu viele Geschenke. Aber es ist dann doch ein neues Kleidungsstück, das fällt ihm auf und er freut sich immer sehr darüber. Er ist wirklich so süß!
Welchen Tipp würdest du jungen ambitionierten ModedesignerInnen mit auf den Weg geben?
Ich finde es ganz wichtig, das Handwerk zu beherrschen. Das ist oft wichtiger, als perfekt zeichnen zu können. Natürlich ist es von großem Vorteil, technische Zeichnungen anfertigen zu können oder eben auch gute Illustrationen, damit ein Schneider, der außer Haus arbeitet und nicht direkt an deiner Seite, sich auch wirklich auskennt. Ich nehme mir ja nicht so viel Zeit für schöne Illustrationen, aber ich habe Gott sei Dank ein tolles Team, das meine Zeichnungen lesen kann, und wir haben über die vielen Jahre auch eine ganz klare Schnittstilistik entwickelt, sodass alles bombenfest sitzt. Ich finde, eben diese handwerkliche Bearbeitung von Stoffen, Bändern, Knöpfen und Co. ist das Um und Auf.