Ehrenamt

Ehrenamt: Herzschlag für die Steiermark

Einsatz für die Menschen

9 Min.

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Drei Steirerinnen und eine Salzburgerin bilden die Speerspitze von vier der größten Wohltätigkeitseinrichtungen Österreichs. Die STEIRERIN hat mit ihnen über ihre Mission im Ehrenamt gesprochen.

Ehrenamt bei der Caritas

Nora Tödtling-Musenbichler
© Caritas/Konstantinov

Nora Tödtling-Musenbichler

Präsidentin Caritas Österreich

Die Steirerin ist seit Juli 2022 Direktorin der Caritas der Diözese Graz Seckau und seit Dezember 2022 Vizepräsidentin der Caritas Österreich. Im Februar 2024 ist sie als Nachfolgerin von Michael Landau ihr Ehrenamt als Caritas-Österreich-Präsidentin angetreten. Sie bleibt der Caritas Steiermark als Direktorin erhalten und ist in dieser Doppelrolle künftig für alle 17.700 Angestellten der Caritas in Österreich und rund 46.000 Freiwillige verantwortlich.

Welche Aufgaben fallen als frischgebackene Caritas-Präsidentin in Ihren Bereich?
Nora Tödtling-Musenbichler: Als Präsidentin darf ich die Caritas in Österreich nach innen und außen vertreten. Es freut mich sehr, in diesem großen Netzwerk mit über 17.000 Mitarbeiter:innen und rund 46.000 Freiwilligen in mehr als 1.600 Einrichtungen Caritas gestalten zu dürfen. Es ist eine große Aufgabe und Verantwortung, und ich bin für das Vertrauen, das mir mit dieser Wahl entgegengebracht wurde, sehr dankbar.

Sie sind die erste Frau in dieser Position. War es an der Zeit?
Es ist mir wichtig, zu betonen, dass ich wegen meiner Qualifikationen gewählt worden bin und nicht weil ich eine Frau bin. Aber es ist auch wichtig, dass Gerechtigkeit – auch im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit – gelebt und in der Caritas sichtbar wird. Wir haben drei Caritas-Direktorinnen in Österreich, sind auch im Präsidium mit zwei Frauen vertreten und in allen Caritas-Einrichtungen und in Führungsfunktionen arbeiten fast zwei Drittel Frauen.

Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Michael Landau?
Die Fußstapfen meines Vorgängers sind groß und ich trete mein neues Amt mit Respekt vor dieser Aufgabe an, aber auch mit Freude. Als Frau geht mein Blick natürlich hin zu Frauen in Not und wie wir gerechte Bedingungen schaffen können, um sie aus der Armut herauszuholen. Aber mein Engagement richtet sich natürlich auf alle Menschen in Österreich und über die Grenzen hinaus.

Welche besonderen Herausforderungen stellen sich der Caritas aktuell?
Unser Grundauftrag lautet „Not sehen und handeln“, und wir sehen zurzeit viele Nöte. Angesichts der massiven Teuerungswelle bleibt unser größtes Thema aber die Armutsbekämpfung. Armut ist in Österreich Realität und auch in der Mittelschicht angekommen, das erleben wir jeden Tag in unseren Beratungsstellen, Lerncafés oder Lebensmittelausgabestellen. Immer mehr Menschen kommen zu uns, die nie gedacht hätten, dass sie die Caritas einmal in Anspruch nehmen müssen. Auch wenn die Regierung vieles gut auf den Weg gebracht hat, braucht es eine strukturelle und nachhaltige Armutsbekämpfung.

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Ehrenamt bei den VinziWerken

Amrita Böker
© VinziWerke

Amrita Böker

Koordinatorin VinziWerke Österreich

Die gebürtige Salzburgerin hat 2021 bei den VinziWerken die Nachfolge von Nora Tödtling-­Musenbichler angetreten. Böker hatte eigentlich vor, die VinziWerke zu verlassen – doch dann starb Vinzi-Gründer Pfarrer Wolfgang Pucher im Juli 2023 überraschend. Dank des enormen Rückhalts von allen Seiten ist Böker heute froh, geblieben zu sein.

Welche Herausforderungen haben sich durch den Tod von Pfarrer Pucher ergeben?
Amrita Böker: Der Tod von Wolfgang Pucher hat uns alle näher zusammenrücken lassen. In seine Fußstapfen ist bis heute noch niemand getreten und die Lücke, die er hinterlassen hat, kann auch nicht gefüllt werden. Die Organisation steht aber auf einem festen Fundament. Das sind einerseits die hauptamtlichen Mitarbeiter:innen unserer Einrichtungen und Projekte mit ihrer Expertise, andererseits die rund 700 ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, ohne deren Engagement wir keine unserer Einrichtungen auch nur eine Woche lang offenhalten könnten. Die Position des Geistlichen Beirats der Vinzenz­gemeinschaft Eggenberg muss noch besetzt werden. Ein Mitbruder unseres verstorbenen Gründers und der neue Pfarrer von St. Vinzenz, Pater Bernhard Pesendorfer, hilft aus, bis eine neue spirituelle Führung gefunden wird.

Welche Aufgaben fallen in Ihren Bereich?
Meine Aufgaben sind so bunt wie unser Regenbogen, das macht jeden Arbeitstag so spannend! Ich bin für die Leitung unserer Einrichtungen und Projekte zuständig, das heißt die inhaltliche, finanzielle und personelle Planung und Führung. Ich bin auch zentrale Anlaufstelle für die einzelnen Werke und ihre hauptamtlichen Mitarbeiter:innen. Im Team erarbeiten wir das Fundraising, planen Veranstaltungen, Projekte oder Aktionen für unsere Gäste. Ich tausche mich konstant mit Verantwortlichen der Politik und öffentlichen Hand und mit Sponsor*innen aus, außerdem mit unseren Netzwerkpartner:innen, damit das Angebot der Wohn- und Obdachlosenhilfe möglichst flächendeckend und organisationsübergreifend so breit wie möglich aufgestellt bleibt.

Was motiviert Sie für Ihre Arbeit?
Täglich höre ich von Menschen, denen wir Stabilität bieten, eine Tür öffnen oder auch nur Wärme, ein Bett und menschliche Nähe schenken konnten. Weil uns die niederschwellige, schnelle und direkte Hilfe das größte Anliegen ist, wird die positive Wirkung auch sofort sichtbar. Natürlich motivieren mich auch unsere Mitarbeiter:innen mit ihrer Energie, Hingabe und Leidenschaft. Letztendlich sind es viele kleine Erfolge, aber auch große, die mich antreiben.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
All unsere VinziWerke in ihrer Form, wie sie jetzt bestehen, nachhaltig zu sichern. Die Solidarität unserer treuen Spender:innen ist ungebrochen und dafür bin ich sehr dankbar. Gleichzeitig ändern sich die äußeren Lebensumstände von Menschen, die in Not geraten. Armut ist schon längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen – und das in einem Ausmaß, das von Organisationen der Wohnungslosenhilfe nicht allein getragen werden kann. Projekte wie „housing first österreich“, das wir kürzlich gemeinsam mit der Caritas Steiermark, Jugend am Werk, der Wohnplattform und den gemeinnützigen Wohnbauträger*innen vorgestellt haben, sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

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Ehrenamt bei Jugend am Werk Steiermark

Sandra Schimmler
© Jugend am Werk Steiermark/KoCo

Sandra Schimmler

Geschäftsführerin Jugend am Werk Steiermark

Die Grazerin war zuletzt Leiterin des Fachbereichs Projekte, Förderungen, Arbeit und Beschäftigung und Senior:innen bei der Stadt Graz und ist bereits seit 25 Jahren im Sozialbereich tätig. Seit Jänner 2023 leitet sie gemeinsam mit Walerich Berger Jugend am Werk Steiermark. Das Unternehmen ist mit rund 1.300 Beschäftigten an mehr als 140 Standorten steiermarkweit einer der größten Sozialdienstleister des Landes.

Wie schaut ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Sandra Schimmler: Jeder Tag ist aufgrund der Vielfalt unseres Angebots anders. Wir haben unterschiedlichste Auftraggeber:innen, sind in der Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Arbeitsmarktprojekten und Flüchtlingsbetreuung tätig. Mit dem Projekt „housing first“ schaffen wir gezielte fachliche Betreuung und nachhaltige Lösungen für von Wohnungslosigkeit betroffene Frauen. Unser Grundziel ist die Teilhabe aller an der Gesellschaft.

Welche Herausforderungen sind im Moment für Ihre Kund:innen am belastendsten?
Die multiplen Krisen belasten die psychische Gesundheit, und die Nachfrage nach unterstützenden Angeboten steigt. Mit der kostenlosen Mobilen sozialpsychiatrischen Betreuung unterstützen wir Menschen mit psychischen Erkrankungen unkompliziert, individuell und professionell.

Sie sagen, Ihre Mitarbeitenden sind Ihr größtes Gut?
Ja, Leistungen wie Supervision, Intervision, Fortbildungsprogramme und betriebliche Gesundheitsförderung sind selbstverständlich. Wir bieten unseren Mitarbeitenden mit dem Employee Assistance Program (EAP) eine externe Beratung und Möglichkeit, sich kostenlos Unterstützung bei seelischen, gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Fragen zu holen – egal ob beruflicher oder privater Natur. Wir haben rund 80 Prozent Frauenanteil mit gleichberechtigtem Einkommensmodell zwischen Männern und Frauen. Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist uns wichtig, wir sind ein familienfreundlicher Betrieb. Viele erhaltene Arbeitgeberauszeichnungen bestätigen, dass wir den richtigen Weg gehen.

Was motiviert Sie für Ihre Arbeit?
Es ist der allerschönste Bereich und man weiß jeden Tag, wofür man es macht. Man kann nicht täglich große Dinge erreichen, aber man kann jeden Tag etwas machen. Im Sozialbereich und der Bildung ist mein Herzblut drinnen und das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich sage immer: „Ich liebe Menschen“, darum kann ich mich total verwirklichen. Und bei unseren Mitarbeiter:innen und Kund:innen geht mir jeden Tag das Herz auf. Die Professionalität und das Engagement unserer Mitarbeitenden sind sehr beeindruckend und machen mich sehr stolz als Geschäftsführerin.

Was sind Ihre aktuellsten Projekte?
Da gibt es viele: Wir haben seit Kurzem einen Bio-Marktstand am Lendplatz, an dem unsere Kund:innen Obst und Gemüse unserer ökologischen Landwirtschaft verkaufen. Die Wohnschule, da erleichtern wir Menschen mit Behinderung die Schritte ins eigenständige Wohnen. Ein neues Arbeitsmarktprojek in Gosdorf. Ein neuer Standort in Mürzzuschlag mit Gastronomie, ein weiterer in Judenburg und vieles mehr!

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Ehrenamt bei SOS-Kinderdorf Österreich

Annemaria Schlack
© SOS Kinderdorf/Alexander Fuchs

Annemaria Schlack

Geschäftsführerin SOS-Kinderdorf Österreich

Die gebürtige Köflacherin Annemarie Schlack war über zehn Jahre bei SOS-Kinderdorf International. Die letzten sieben Jahre war sie Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Seit Jänner 2024 ist Schlack eine von drei Geschäftsführer:innen bei SOS-Kinderdorf Österreich. In ihrer Position verantwortet Schlack die über 200 Betreuungs- und Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien.

Warum sind Ihnen Kinder und ihre Rechte so ein großes Anliegen?
Annemaria Schlack: Kinder und Jugendliche haben Rechte von Anfang an. Sie sind nicht Menschen, die erst entstehen müssen, sondern Menschen, die ein Recht darauf haben, in Sicherheit, in Liebe und Geborgenheit aufzuwachsen. Wenn der Staat bei der Unterstützung für Kinder spart, ist das daher die falsche Herangehensweise und widerspricht den Kinderrechten.

Was sind die großen Themen im Moment?
Mentale Gesundheit, Kinderarmut und Bildung. Zur mentalen Gesundheit stellen wir fest, dass Kinder und Jugendliche seit der Coronapandemie vermehrt mit psychischen Belastungen zu kämpfen haben. Es gibt aber zu wenige Behandlungsplätze, ob stationär oder ambulant. Zur Kinderarmut ist zu sagen, dass wir versuchen, die Familien zu begleiten, damit sie nicht auseinanderbrechen. Die Inflation ist ein erschwerender Faktor, aber Fremdbetreuung sollte wirklich der letzte Ausweg sein und daher wollen wir vermehrt in die Prävention gehen. Bei der Bildung ist das Problem, dass Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft oftmals Bildungsnachteile haben. Bildungschancen werden in Österreich leider noch immer vererbt. Da braucht es ein anderes Schulsystem, zum Beispiel kleinere Klassen und mehr sozial­arbeiterische bzw. inklusionspädagogische Unterstützung.

Wie schaffen Sie es, so positiv zu bleiben?
Ich bin eine pragmatische Idealistin. Ich habe das Ziel immer vor Augen und bleibe dran – nachhaltige Veränderung erreicht man nicht von heute auf morgen. Was mich antreibt, ist nie Frust, sondern ein gewisser Ärger. Ich ärgere mich, wenn Kinderrechte verletzt werden – das entwickelt eine positive Kraft.

Was sind Ihre konkreten Ziele?
Ich setze mich dafür ein, dass sich Kinder und Jugendliche für die Zeit, die sie in einem unserer Programme sind, sicher und geborgen fühlen. Außerdem ist für mich das Thema Personal sehr wichtig: Der Arbeitskräftemangel betrifft auch uns, daher ist das Finden und Binden von Mitarbeiter:innen ein großes Anliegen.

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