Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz

Der Weg aus der Krise

Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz im Interview.

6 Min.

Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz. © Ruth Kappus

Die Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz schildert in ihrem neu erschienenen Buch und im Interview mit der STEIRERIN die schwerste Zeit ihres Lebens – und wie sie diese überwunden hat.

Aglaia Szyszkowitz, gebürtige Grazerin mit Wohnsitz in München, ist eines der bekanntesten TV-Gesichter. Seit 25 Jahren ist sie in Kino und TV zu sehen, unter anderem in „Klimt“, „Zimmer mit Stall“, „Die Wunder­übung“ oder kürzlich in der Netflix-Produktion „Inventing Anna“. Ihre Verbundenheit zu Graz ist der 55-jährigen Wahlmünchnerin nie verloren gegangen, auch ihre Eltern leben noch hier. Sie selbst würde auch gerne mehr in Österreich drehen, weil „es hier am Set einfach ein bisschen humorvoller und lockerer zugeht“. Seit 2021 ging es aber im Leben der Steirerin nicht mehr locker zu: Sie war in eine tiefe Krise geschlittert. „Kein anderer Beruf ist so unerbittlich in Sachen Älterwerden“, war der Schauspielerin bewusst geworden. In ihrem ersten Buch „Von der Rolle“ erzählt sie von ihrer Kindheit, ihren Gefährt:innen und wie sie die schwere Zeit erfolgreich meistern konnte.

Wie kam es dazu, dass Sie in diese Krise geschlittert sind?
Aglaia Szyszkowitz: Begonnen hat es mit einer Art Bandscheibenvorfall und dann hatte ich eine Zeit lang mit Themen wie Angst und Panik zu kämpfen und musste mir einiges einfallen lassen, um das wieder in den Griff zu bekommen. Aber der Reihe nach: Im Jahr 2021 habe ich wahnsinnig viel gearbeitet und keine Pausen gemacht. Am Ende des Jahres hatte ich plötzlich unerträgliche Rückenschmerzen und musste deswegen in die Schmerzambulanz, in Graz bei den Elisabethinen (sehr zu empfehlen). Am MRT war dann aber kein richtiger Bandscheibenvorfall zu sehen, sondern eher eine Vorwölbung, also meine ungeheuren Schmerzen waren nicht richtig erklärbar. Daher lag die Vermutung nahe, dass die Schmerzen psychosomatisch sind. Ich habe dann eine Psychotherapie begonnen und musste 2022 fast alle Jobs absagen, weil die Schmerzen nicht besser wurden. Und dass ich nicht arbeiten konnte, ging mir natürlich auch psychisch sehr nahe. Mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen, auch weil ich meine Arbeit einfach sehr liebe. Ich war mitten in den Wechseljahren, zusätzlich hatten mein Mann (Marcus Müller, Anm. d. Red.) und ich uns im Sommer 2021 nach über 20 Jahren getrennt und meine Söhne waren ausgezogen. Da kam einfach viel zusammen.

Sind es auch die Strukturen in Ihrer Branche, die zu Ihrer Krise geführt haben?
Ja, es ist ein wahnsinniger Druck, dem man als Schauspielerin ausgesetzt ist. Man arbeitet daran, immer schön, schlank und jugendlich rüberzukommen, und das braucht viel Kraft. Ich habe das in meinem Berufsleben immer gut geschafft, bis zu meinem Zusammenbruch. Und es gibt in unserem Beruf nach so einer Krise keine Möglichkeit der behutsamen Wiedereingliederung wie in einem anderen Job. Du bist einfach weg und dann im Idealfall wieder da. Aber es ist ein mühsamer Weg, sich wieder zurückzuarbeiten. Ich bin jetzt wieder gut im Geschäft, aber es hat ein Zeiterl gedauert.

Hat die Erfahrung Sie verändert?
Auf jeden Fall, ich würde es mal so beschreiben: Ich kann mit einer anderen Sensibilität an meine Rollen herangehen und ihnen mehr Tiefe geben, die Figuren noch feiner ausloten. Und ich achte mehr darauf, Pausen zu machen und mein Privatleben über den Job zu stellen. Ich kann auch meine Freundschaften noch mehr zu schätzen. Meine beste Freundin Verena und mein Mann waren Tag und Nacht für mich da, aber auch viele andere Freundinnen, und das möchte ich jetzt zurückgeben. Ich bin insgesamt sensibler geworden, gerade wenn es jemand anderem nicht gut geht.

„Von der Rolle“ ist das erste Buch von Aglaia Szyszkowitz.
Am 7. September erschien mit „Von der Rolle“ das erste Buch von Aglaia Szyszkowitz. © Molden Verlag

Sie schildern im Buch, dass Sie auch recht schnell umbesetzt wurden, als Sie bekanntgaben, dass Sie ausfallen werden. Haben Sie das erwartet?
Ja, aber es hat mich sehr getroffen, dass das so schnell geht. Es waren aber einfach nur mehr wenige Wochen bis Drehbeginn und es ist dann schwierig bis unmöglich, diese Riesenmaschine zu stoppen.

Sie beschreiben, dass Sie in Ihrem Alltag durch die Angst stark eingeschränkt waren, dass Sie etwa nicht mehr alleine einkaufen gehen konnten: Wird über Depression und Burnout zu wenig gesprochen, als dass man auf solche Situationen vorbereitet wäre?
Es wird definitiv zu wenig darüber gesprochen! Weil: Je mehr man darüber spricht, desto besser. Das Tröstendste für mich war, mit anderen Menschen zu reden, die in einer ähnlichen Sinnkrise stecken. 16,8 Prozent der Österreicher:innen leiden an einer behandlungsbedürftigen Angst­erkrankung, es gibt nach wie vor viel zu wenig gute Therapieplätze und die Zahl der Menschen, die unter psychischen Krisen leidet, steigt.

Wieso haben Sie sich entschlossen, diese doch sehr persönlichen Erfahrungen mit den Leser:innen zu teilen?
Weil die Dinge benannt gehören! Es muss im Jahre 2023, in dem wir alle so woke, so gendergerecht, so tolerant und so unfassbar politisch korrekt sein wollen, möglich sein, über persönliche Niederlagen und Krisen offen zu reden! Weil es zum Leben dazugehört und im besten Fall anderen hilft und Mut macht. Ich habe während meiner Krisenzeit mit so vielen Menschen gesprochen, die mir gesagt haben, dass es wichtig wäre, dass das Thema mentale Gesundheit in der Gesellschaft weniger tabuisiert wird. Und da sind eben besonders Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, gefragt, als Role­model zu fungieren.

Können Sie anderen Menschen, die in einer ähnlichen Krise stecken, einen Rat geben? Was hat Ihnen geholfen?
Mein Rat wäre, sich rechtzeitig kompetente Hilfe zu suchen, nichts zu verschweigen oder in sich hineinzufressen. Und sich nicht zu genieren, sondern zuzugeben: „Es geht mir nicht gut und ich brauche Hilfe.“ Denn wenn man darum bittet, bekommt man auch Hilfe. Wir sind keine Maschinen. Ich strecke jetzt auch gerne die Hand aus und helfe anderen heraus.

Besonders in der Schauspielbranche haben es Frauen ab 50 schwer. Glauben Sie, dass es in Zukunft einen Wandel geben wird in Bezug auf deren Darstellung?
Ich hoffe es, wir kämpfen dafür. Es ist schon so, dass es nach wie vor viel zu wenig Rollen gibt, weil einfach zu wenige Drehbücher mit guten Frauenrollen in Auftrag gegeben werden. Aber die Frauenquote wird endlich im Fernsehen umgesetzt, es kommen vermehrt Regisseurinnen zum Zug, ich habe etwa gerade mit der großartigen Esther Rauch gearbeitet. Und dadurch, dass es mehr Produzentinnen und Regisseurinnen gibt, können auch mehr Drehbuchautorinnen beauftragt werden, was zu mehr und vor allem guten Rollen für Frauen führt. Es wandelt sich gerade, aber sehr langsam.

Sie stellen im Buch die Frage, warum so viele Frauen mit ihrem Körper hadern: Wie kann man das Ihrer Meinung nach ändern?
Man sollte bei der Erziehung ansetzen, um dem dummen Idealbild der „dünnen jungen Frau“ aus den sozialen Medien etwas entgegenzusetzen. Wir sollten unseren Töchtern oder, in meinem Fall, Nichten sagen: „Du bist toll, so wie du ausschaust, und gerade dass du anders bist als andere, macht dich besonders“, um damit ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Und selbst in jedem Alter ein Vorbild sein und sagen: Ich mag, wie ich bin.

Schauspiel-Workshop mit Aglaia Szyszkowitz

Von 13. bis 15. Oktober gibt sie in der Komödie Graz außerdem einen Schauspiel-Workshopmit Angelika Fink.
Anmeldung unter [email protected]

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